Toni mochte die lauten Schwimmbäder nicht, in denen sich die
Massen tummelten und ihm vom Geschrei die Ohren schmerzten. Deshalb war er
glücklich, als er im Wald ein ruhiges Bad entdeckte, in dem sich nur wenige
Menschen ergötzten.
Als Mili nachts zu ihm kam, schwärmte er von diesem Bad. Endlich
habe er einen Ort gefunden, an dem er sich wohl fühle. Fortan werde er sich nur
noch dort erholen. Mili äußerte sich nicht. Sie gab sich in seine Arme und sie
vereinigten sich. Aber aus der Geschichte, die er anschließend zu hören bekam,
schloss er, dass sie seine Begeisterung für das abgelegene Bad nicht teilte. AS
Der Wald war für ihn eine große
Entdeckung. Er verbrachte mehr Zeit im Wald als in der Stadt. Um die Firma, in
der er früher gearbeitet hatte, machte er einen großen Bogen. Aber ab und zu
kam er doch nach Eschenbach. Dabei hatte er auch ein oder zweimal den Chef
getroffen. Mark hatte mit seinem Wohnmobil bei der Bank gehalten und vom
Automaten Geld geholt. Als er zurückkam, hielt ein großes, glänzendes Gefährt
neben seinem ziemlich verstaubten Wohnmobil. Der Chef stieg aus und trat wie
zufällig zu ihm.
„Es ist gar nicht leicht die
richtigen Leute zu finden“, sagte er. „Eine verwaiste Stelle mit jemandem
Patentem zu besetzen, grenzt heute an ein Kunststück.“
Mark bezog diese Bemerkung nicht
auf sich und nickte verständnisvoll. Der Chef einer großen Firma hat vielfache
Sorgen und es tut ihm gut, wenn er sich erleichtern kann. Er fragte Mark nicht,
wann er wiederkomme. Aber in der Stimme klang doch ein leiser Vorwurf: Wann
hört diese Herumreiserei endlich auf?
Als Mark wieder mal in Eschenbach
Halt machte, zog es ihn auch hier in den Wald. Er stellte sein Wohnmobil in der
Ortsmitte auf einen Parkplatz, der sich als hinreichend sicher erwiesen hatte
und ging auf direktem Weg durch den Ort in den angrenzenden Wald. Sofort fühlte
er sich wohl im Halbdunkel unter den hohen Stämmen und atmete befreit den
angenehmen, feuchten Geruch von Moos und Blättern ein. Er stieg zu einer etwas erhöhten
Stelle und entdeckte dort von den Bäumen überwachsene Mauern – die Ruinen einer
einstigen Burg. Nur die Stümpfe der Mauern waren noch erhalten und ragten
irgendwie traurig hervor, bedrückt vom Moder, der sie verdeckte und den
Myriaden kleiner Viecher, die unermüdlich an ihrem endgültigen Zerfall
arbeiteten. Mark war gekommen, um sich im Wald zu erholen. Doch da stieß er auf
eine Pyramide, die sich hinter der Ruine in den Bäumen erhob. Die Pyramide
empfand er als Angebot. Er konnte sich im Wald aufhalten und gleichzeitig eine
Pyramide ersteigen. Eine bessere Verbindung konnte er sich gar nicht denken.
Als er sich anschickte, die erste Stufe der Pyramide zu erringen, stand
plötzlich sein Chef neben ihm.
„Mensch, Mark, hier steckst du
also“, entrang er sich schnaufend wie eine unter Druck stehende Maschine.
Mark war so überrascht, dass ihm
kein Grußwort gelang. Die geballte Spannung eines Leitenden in schwieriger
Position, traf ihn.
„Ich bitte dich dringend, komm!“
Ohne dass der Chef es explizit
formulierte, fragte er damit, ob er die Arbeit annehmen würde. Er hatte ihm ein
Angebot zu einem höheren Preis gemacht und ihm Bedenkzeit gegeben. Wenn er ihm
jetzt gefolgt war, so hieß das, dass er dringend benötigt wurde. Als Antwort
setzte Mark sich auf einen liegenden Stamm und begann sich die Schuhe
anzuziehen, die er auf dem weichen Waldboden ausgezogen hatte. Der eine Schuh
hatte einen sehr langen Bändel. Weil der Chef so unruhig war, wickelte Mark
diesen flüchtig um den Schaft und verknotete ihn. Dann stand er auf und folgte
seinem Arbeitgeber. Dieser eilte voraus und legte die Strecke, die Mark vorher
in Stunden gegangen war, in wenigen Minuten zurück.
Als sie aus dem Wald traten,
hielt der Chef inne und gab Order, was als erstes zu geschehen hatte. „Wir
gehen jetzt zusammen ins Schwimmbad, wir drei!“,
ließ er verlauten.
Das Eschenbacher
Schwimmbad, fügte Mark in Gedanken hinzu. Um
die sonst triviale Aussage für sich selbst ins richtige Licht zu rücken. In
einer Stadt, die in ihrem Wappen den Weltenbaum Yggdrasil stehen hatte und das
Wasser, das durch die Stadt floss auf die Quelle unter eben diesem Baum
zurückführte, war ein Aufenthalt im Schwimmbad nicht ein bloßes
Freizeitvergnügen. Mark kamen Zweifel, ob er bei dieser Arbeit wirklich
bestehen würde. Dazu brauchte man eine dicke Haut. Im strammen Schritt gingen
sie vom Waldrand zum Schwimmbad. Da der Weg eng war, ging Mark voraus.
„Wenn euch meine Empfindlichkeit
nicht stört“, rief er warnend nach hinten.
Der Chef antwortete nicht. Wahrscheinlich
hatte er andere Sorgen. Mark war gespannt auf den dritten im Bunde. Ob es einer
der Kollegen war, die er von früher kannte oder jemand Neues?
Vor dem Schwimmbad stand eine
große Gruppe von Eschenbachern. Sie trugen alle dicke Öljacken oder waren im
Begriff welche anzuziehen. Ein weiteres Merkmal dieser Stadt, die
Lieblingskleidung ihrer Bewohner waren die Gummimäntel oder Pelerinen, um sich
gegen Einflüsse von außen zu schützen. Die Gummimäntel, die sie trugen,
schienen Mark besonders tauglich. Er liebäugelte damit, sich bei dieser
Gelegenheit mit einem einzudecken. Entschied sich aber dagegen. Er hatte ja
schon welche und außerdem trug er sie ungern. Er glaubte nämlich im
Umgekehrten, dass man das, was von außen kam, auf sich wirken lassen musste,
auch wenn es unangenehm war.
Vor dem Eingang des Schwimmbads
stand MaLu.
„Nanu, du hier?“, rief er aus und
wollte sie herzlich begrüßen. Aber die Stimmung, die von ihr ausging, ließ ihn
innehalten.
„Wo ist dein Wettermantel?“,
fragte sie nüchtern, obwohl sie selber keinen trug.
„Ich mag diese Dinger nicht“, gab
Mark offen zu. Seine Stimme klang resigniert, weil sie ihn so frostig empfing.
„Du hast keine Ahnung, um
was es geht“, fuhr sie ihn an.
Er stand da wie ein begossener
Pudel. Das mit der Öljacke konnte nicht der alleinige Grund sein. Hatte sie ihn
nicht auch schon mal zurechtgewiesen, weil er sich vom Alkohol angeheitert
einen Regenmantel angezogen hatte? Es musste noch einen anderen Grund geben,
weshalb sie ihm gram war. Das konnte nur der Wald sein. Dass er sich im Wald
aufgehalten hatte. Langsam dämmerte ihm, wer der dritte im Bund war. Nicht
jener Ingenieur, den er geglaubt hatte, sondern sie, MaLu selbst, die auf
unerklärliche Weise immer mit ihm in Verbindung stand. Was auch erklärte, warum
der Chef ihn im Wald hatte finden können. MLF
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