Mittwoch, 29. Februar 2012

18 Pforte und Innenbereich i

Im gedämpften Lichtschein, der von der Stadt draußen ins Zimmer fiel, bildeten sich Glanzstellen und Schatten, die Toni erst erfreuten und dann erschreckten. Erst glaubte er, in den Wölbungen der Bettdecke eine schöne, bewegte Landschaft zu erkennen. Dann erschrak er von dem schwarzen Tunnel, der sich durch die Decke neben seinem Körper bildete. Elektrisiert fuhr er hoch und bemerkte Mili. Sie schlug die Decke zurück und augenblicklich war der Spuk verschwunden.
Nach ihrem Zusammensein holte sie zur folgenden Geschichte aus. AS

Wenn Mark die Jauche ausgefahren hat [Kotstreuende Kuh, 02.02], kehrt er zurück ins abgegrenzte Gebiet, das früher auch zum Land seiner Großeltern gehört hat, heute aber Teil der Industriezone der Gemeinde ist. Das ausgedehnte Gelände besteht aus einem flachen unteren Teil, der zu einer Terrasse hin ansteigt, die einen Gipfel samt eindrücklicher Felswand umschließt. Das Industriegelände darin ist in zwei deutlich getrennte Bereiche unterteilt. Die Umgebung der Pforte unten, auf dem Niveau der Durchgangsstraße, besteht aus Gewerbehallen und schlichten Wohnblöcken. Darüber, auf der Terrasse, gibt es eine größere Siedlung, die sich aus gediegenen Gewerbegebäuden und stattlichen Häusern zusammensetzt.
Während Marks Verwandte den Hof führen und die Tiere versorgen, arbeitet er schon lange in diesem umzäunten Gewerbegebiet und wohnt auch hier. Lange Jahre ist er im Pfortenbereich beschäftigt gewesen und hat mit seiner Familie in einem der nüchternen Plattenbauten gehaust. Inzwischen ist er – auch schon wieder etliche Jahre – im höher gelegenen inneren Bereich tätig. Er geht einer anspruchsvollen Arbeit in einer Traumfabrik nach, die Bildsequenzen für die Filmbranche und fürs Fernsehen bereitstellt. Wohnen tut er seit der Trennung von seiner Frau mit Freund Heinrich zusammen, im unteren Geschoss eines Zweifamilienhauses am Hang über der Terrasse.
Die Struktur dieses umzäunten Gebietes ist einem Bienenstaat nicht unähnlich. Die Abwehr nach außen ist Aufgabe der an der Pforte Beschäftigten. Die diffizileren Arbeiten werden im Innenbereich geleistet. Obwohl Mark schon vor vielen Jahren in den Innenbereich gewechselt hat und dort ziemlich eingespannt ist, wird er doch immer wieder von den Leuten an der Pforte angesprochen.
„Mark, komm doch mal schnell, schau dir das an.“ „Was meinst du, Mark, wie sollen wir da vorgehen?“ Oft geht es auch um finanzielle Sorgen. Die Neulinge, die an der Pforte anfangen, kriegen meist nur ein Praktikantengehalt und müssen unterstützt werden. Da er selber in dieser Zeit an Entbehrungen gelitten hat und ohne den Hof im Hintergrund seine Familie nicht hätte ernähren können, hilft er, wo er kann. Er bemüht sich auch Wege zu finden, damit finanzielle Mittel von oben nach unten fließen.
Nachdem er wieder mal angehalten worden ist und dabei ziemlich viel Zeit verloren hat, klagt er gegenüber seinem Freund, dass er so oft zu Rate gezogen wird.
„Du bist selber schuld, entgegnet Heinrich, „brauchst ja nur nein sagen.“
Mark nickt zerstreut. Die meisten im Innenbereich sind so mit ihren Aufgaben verbunden, dass sie für die Probleme an der Pforte keinen Sinn mehr haben. Nach einer Weile bemerkt er. „Irgendwie steckt noch in mir drin, dass dieses ganze Land mal von meinen Vorfahren bebaut worden ist. Vielleicht fühle ich mich deshalb verantwortlich und kann mich ihren Bitten nicht verschließen.“
„Ja, sag’s nur, du bist und bleibst ein Bauer“, kontert Heinrich. „Und wenn du deine Felder jauchst, muss ich mir Tage lang die Nase zuhalten.“ MLF

Dienstag, 28. Februar 2012

17 Der Ball fällt ins Wasser


Am liebsten hätte Toni sich aufgesetzt und von seinem Geliebten geschwärmt. Mili war gegenüber Männern an seiner Seite sehr tolerant. Wohl weil sie sich so vor Rivalinnen geschützt fühlte. Sie schien zu spüren, dass er abgelenkt war und lockte ihn nicht. Sie bedeckte sogar ihre Brüste, als sie zu berichten begann, was sie sonst nicht tat. AS

Endlich klappt, woran er schon nicht mehr zu glauben gewagt hat. Lothar befindet sich im siebten Himmel. Das heißt, er ist verliebt und wird geliebt. Viele Male hat er die Abzweigung nach links gesehen, und ist entschlossen gewesen sie einzuschlagen, aber dann ist er doch immer schon vorbei gewesen, bevor er sich’s versehen hat.
Am Vortag hat er im großen Stil aufgeräumt. Und jetzt zieht er um. Der Weg führt durch einen düsteren Tunnel. Dessen feuchter Grund wechselt zwischen abgetretenen Felsen und matschigen Stellen. Ihn erstaunt, wie andere es schaffen, ihre Waren durch diesen Tunnel zu befördern, ohne in den Dreck zu treten.
Und dann gelangt er zur Abzweigung. An dieser Stelle steht das Wasser tief. Aber es gibt Steine, in Schrittlänge voneinander entfernt, auf denen man die überschwemmte Passage trockenen Fußes überwinden kann. Jetzt erst wird ihm bewusst, wie viel er sich aufgeladen hat. Er kann kaum alles in den Armen halten. Vorsichtig tritt er von Stein zu Stein. Als er sich dem nach links abzweigenden Tunnel nähert, kommt ihm zum Glück sein Geliebter entgegen und zeigt sich hilfsbereit.
„Lass nur los, ich helfe dir.“
Lothar lässt los. Doch zu früh. Die Habe entgleitet ihm und fällt ins Wasser. Verzweifelt springt er hinterher. Schwimmend versucht er nach den Gegenständen zu greifen. Vor allem sein Ball ist ihm wichtig. Aber der treibt - einmal befreit – ein tückisches Spiel mit ihm. Wenn Lothar auf ihn zuschwimmt, weicht er zurück, kommt wieder näher und geht erneut zurück, sobald Lothar ihn fassen will. Schließlich hat er genug von dem Spiel und begibt sich auf festen Boden, wo er hergekommen ist. Seinem Geliebten, der ihn herwinkt und ihm zuruft, „das brauchst du doch alles nicht.“
Ruft er zurück, „ich warte lieber bis das Wasser abgeflossen ist.“ MLF

Montag, 27. Februar 2012

16 Gemeinschaft falsch gebildet j

Vom öffentlichen Gebäude führt ein schmaler Weg zur Vorderseite der Post und zur Straße, wo auch die Bushaltestelle ist. Während Lothar auf den Bus nach Reußstadt wartet, kommt Dirk Häuserbauer daher.
„Ah, grüß dich Dirk, bist du auch in Rieden?“, heißt ihn Lothar willkommen und freut sich darauf, die Busfahrt über Gesellschaft zu haben.
Dirk gibt sich eher zurückhaltend. Etwas scheint ihm auf dem Gemüt zu liegen. Nach einer Weile rückt er mit der Sprache raus. „Was du mir neulich berichtet hast, finde ich verkehrt, so bildet man keine Gemeinschaft.“
Lothar erschrickt. Was soll jetzt das? Was hat er denn? Und ihn überkommt wieder die große Skepsis gegen diesen Ort. Jedes Mal, wenn ich hier im Nachbarort bin, werden Fehler von mir aufgedeckt und werden mir Vorwürfe gemacht. Da fällt ihm ein, dass er Dirk eine Sammlung von früheren Tagebuch-Einträgen gezeigt hat, Notizen, die ihm besonders gelungen schienen und die er zu schade fand, sie in der Schublade liegen zu lassen. Er hat Dirk gesagt, dass er diese als Vorspann im Tagebuch wiedergeben wolle. Sozusagen als Einstimmung, damit man den Charakter und die Tragweite des bevorstehenden Journals ermessen könne. Er hat bemerkt, dass Dirk den Plan ablehnend aufgenommen hat. Vielleicht hat das sogar den Ausschlag gegeben, dass er diesen Plan aufgegeben und sozusagen von Null aus angefangen hat.
„Du hast Recht“, sagt Lothar schließlich, „ich habe diesen Plan verworfen. Die früheren Einträge sind wieder in die Schublade gewandert und habe am Tag der ersten Veröffentlichung auch tatsächlich mit dem ersten Eintrag begonnen.“
Dirks Gesicht heitert sich auf, aber einen zufriedenen Eindruck macht er noch immer nicht.
Lothar sieht ihn fragend an.
Aber Dirk äußert sich nicht weiter.
Inzwischen haben sich noch andere Menschen an der Haltestelle eingefunden.
„Würde mich trotzdem freuen, wenn du mal einen Blick reinwirfst“, sagt Lothar „und über einen Kommentar natürlich besonders, egal wie er ausfällt.“
Dirks Gesicht verzieht sich säuerlich. „Ich muss weiter“, gibt er zur Antwort, „ich habe hier noch zu tun.“
Lothar reicht ihm ernüchtert die Hand und wendet sich dem Bus zu, der gerade in die Haltestelle einfährt. Auf der Fahrt in die Stadt begleitet ihn das bittere Gefühl, dass er es mit diesem Tagebuch wohl nicht allen wird recht machen können. MLF

Freitag, 24. Februar 2012

16 Gemeinschaft falsch gebildet i

Wir waren zwar zusammen. Aber ganz befriedigt waren wir beide nicht. Danach rutschte sie etwas hoch und legte ihr rechtes Bein auf das meine. Ich drehte mich ihr zu und umfing ihren weichen Schenkel mit den meinen, um ihn festzuhalten.
Da begann Mili mit der Geschichte. AS

Ein schönes, leicht geneigtes Viertel, nicht in Heimen, sondern im südlichen Nachbarort Rieden. Durch die Grünanlage mit noch jungen, aber schon weit verzweigten Bäumen, geht Lothar zum öffentlichen Gebäude, einem modernen Bau aus behauenen Steinen und Glas, in dem auch außerhalb der Öffnungszeiten der Bibliothek zwei Computer mit Internetanschluss zur Verfügung stehen. Durch die Glastür gelangt er in den großen, schlichten Eingangsraum und steigt die freistehenden Stufen, beidseitig von einem Chromstahl-Geländer eingefasst, hoch. Oben geht er nach links, wo der Computer der Kommune steht. Er ruft die Emails ab, die er als Antworten auf seine Internetseite erhalten hat. Es sind nicht viele, nur ein paar, aber immerhin. Auf zwei Kommentare antwortet er kurz und bedankt sich.
Danach geht er zur anderen Seite hinüber, wo ein Computer von der hombschen Community zur Verfügung gestellt wird. Über diesen zweiten Zugang erhält er gar keine Meldung. Eigentlich könnte er erleichtert sein, sagt er sich, denn die Kommentare, die er bis dahin erhalten hat, sind mehrheitlich abwertend gewesen. ‚So hat man im vorletzten Jahrhundert geschrieben‘, ‚mehr Realismus tut Not‘, usw. Aber keine Meldung zu bekommen, ist noch schlimmer. Missmutig schaltet er den Computer wieder aus. Da bemerkt Lothar, dass der Faden an seiner Halskette gerissen ist. Er kann gerade noch verhindern, dass die Perlen auf die Steinfliesen fallen.
Als er gehen will, kommt Paul Schmid von der hombschen Community, um den Computer zu warten.
„Alles okay, Lothar?“, fragt er.
„Ja schon, außer dass ich keine Rückmeldungen bekommen habe und mir überdies noch meine Kette gerissen ist. Du hast nicht zufällig ein Zänglein dabei?“
Paul stellt seinen Akten- bzw. Werkzeugkoffer auf den Stuhl. Erst mal „hallo“, sagt er und lässt ich von Lothar auf beide Wangen küssen. Er öffnet den Kunstlederkoffer und reicht ihm eine Flachzange. „Das ist die feinste, die ich habe.“
Lothar dreht sich der Fensteröffnung zu. Er hängt den Faden wieder in den Verschluss ein und versucht diesen zusammenzudrücken. Dabei bricht er. Die halben Perlen fallen hinunter und verteilen sich auf dem Steinboden. Paul, der inzwischen den Computer eingeschaltet hat, springt auf und hilft ihm beim Einsammeln. Als Lothar alle in der Tasche verstaut hat, meint er ernüchtert.
„Da muss ich wohl einen neuen Faden nehmen und sie neu auffädeln.
„Musst du wohl“, bemerkt Paul und küsst ihn auf die Wangen. Lothar steht noch immer ratlos da. Aber schließlich wendet er sich zum Gehen. MLF

Donnerstag, 23. Februar 2012

15 Den Bach runter j



Er wartete auf den Anruf, in dem man ihm die Zusammenarbeit aufkündigte. Es war eine Frau Zumuki, die ihn anrief. Dem Namen nach Japanerin. Sie kündigte ihren Besuch an.
Als es klingelte schaute Erduan durchs Fenster und sah vor dem Zaun eine kleine Gruppe von Asiaten. Obwohl das Gartentor angelehnt war, kamen sie nicht zum Haus. Also ging er ihnen durch die Büsche entgegen. Frau Zumuki wurde von vier Herren begleitet. Sie verbeugten sich und er erwiderte diese Geste der gegenseitigen Achtung. Die Männer trugen jeder eine Schachtel. Die Frau hielt ein großes Brett, das die Umrisse eines Segels hatte. Erduan bot ihr an, das seltsam geformte Brett zu tragen. Sie lehnte ab. Aber er bestand darauf, weil der gewundene Weg durch die Büsche zum Haus recht eng war. Bei der Haustür entstand die Schwierigkeit, dass sie nicht mit Straßenschuhen eintreten wollten. Also reichte er ihr das Brett, zog seine Schuhe aus, nahm ihr das Brett ab und den Herren nach und nach ihre Kisten. Er machte sich Vorwürfe, dass er es versäumt hatte, einfache Hausschuhe zu kaufen, wie es in dieser Stadt für Gäste üblich war. Das Brett legte er auf den Tisch. Dabei betrachtete er die Vertiefungen genauer, die er beim Tragen des Brettes gespürt hatte. In den Kisten befanden sich Tafeln, nicht viel größer als Postkarten, etwa zwei Zentimeter dick. Im fiel auf, dass die Karten gerade in die Rillen im Brett passen konnten.
Immerhin, einen Tee hatte er aufgesetzt und Tassen waren auch genug da. Als die Asiaten auf seinem westlichen Sofa und den Sesseln Platz genommen hatten, begann die Dame.
„Es tut uns leid, dass wir Ihr Möbel, für das wir ursprünglich Interesse gezeigt haben, nicht verwenden konnten. Aber der Bedarf ist in kürzester Zeit so rapide gesunken, dass wir uns mit neuen Prototypen nicht auf den Markt wagen. Ratsamer erscheint uns, die altbewährten Modelle weiter zu führen.“ Sie trank einen Schluck aus ihrer Teetasse, blickte kurz zu ihren Begleitern und fuhr dann fort. „Etwas Neuartiges ist jetzt in Mode. Keine Schubladen mehr, in denen die Inhalte unübersichtlich durcheinander liegen, sondern Schachteln für jeden Inhalt einzeln. Diese können beliebig angeordnet werden.“
Sie stand auf, stellte ihre Tasse ab und bat einen der Helfer das Brett zu halten. Zusammen führten sie vor, wie die ‚Karten‘, die in Wirklichkeit Behälter waren, in das horizontale Brett, in das vertikale Brett und in das Brett in beliebiger Schräge gesteckt werden konnten.
„Behalten Sie’s hier. Schauen Sie sich’s an. Und teilen Sie uns mit, ob Sie etwas von der Art für uns entwerfen könnten.“
Erduan fielen nicht gleich die richtigen Worte ein. Aber er nickte und zeigte guten Willen auf ihren Vorschlag einzugehen. MLF

Mittwoch, 22. Februar 2012

15 Den Bach runter i


Manchmal erschien mir der Geschlechtsakt mit Mili mehr wie ein Kraftakt, als wie ein Liebesakt. Aber gerade dann waren wir uns danach besonders verbunden. Genau so war es in dieser Nacht.
Schließlich löste sie sich von mir, setzte sich auf und erzählte mir, während ich die Hand auf ihre Brüste legte, von Erduan, der in Irkutsk… AS

Im Gebäude der Volkshochschule am Rande von Irkutsk hatte Erduan Gelegenheit das Möbel zu fertigen, das er einer internationalen Firma in Aussicht gestellt und an dem sie Interesse gezeigt hatten. Das Gebäude war nur ein einfacher Schuppen und bis auf einen kleinen Holzofen, in dem sie Holzabfälle verbrannten, gab es keine Heizquelle. Aber zum Arbeiten ging’s. Die anderen waren deutlich jünger als er, Jungs und Mädels gemischt. Er was so mit seinem Projekt beschäftigt, dass er kaum mitkriegte, was sie herstellten. Jedenfalls nichts, was sein Interesse besonders erregt hätte. Da er das Möbel über die Grenze nach China mitnehmen wollte, fertigte er nur die Einzelteile. Selbst die Schubladen beließ er in Teilen. Gerade so wie man ein Möbel aus einem IKEA Lager erhält. Das Deckblatt war das Sperrigste vom Ganzen. Schließlich baute er aus leichtem Holz eine aufrechte Kiste, die just das Tischblatt umfasste und in der Tiefe genug Platz für die restlichen Bauteile bot.
Am Tag der Abreise brachte er es zur Bahnstation. Es würde im gleichen Zug, in einem angehängten Wagen transportiert werden.
„An der Grenze müssen Sie zum entsprechenden Wagen gehen“, teilte der Beamte ihm mit.
Als sie hinter Wladiwostok an die Grenze kamen, wurde er mit den anderen Reisenden geweckt. Es war mitten in der Nacht. Noch etwas benommen vom Schlaf ging er nach draußen. In weiser Voraussicht hatte er die Kiste mit aufklappbarem Deckel gefertigt. Der Zöllner schaute die Teile mit der Taschenlampe an. Erduan stellte die Form des fertigen Möbels mit den Händen dar. Der Beamte schien begriffen zu haben und überreichte ihm einen Zettel, auf dem die Gebühr stand. Nachdem er bezahlt hatte, wurde der Kiste ein Pack von vier Äpfeln, in Folie verschweißt, beigefügt. Dem Gesicht des Zöllners entnahm Erduan, dass damit alles seine Richtigkeit hatte.
In der chinesischen Stadt, in der er die folgenden Jahre zu leben sich vorgenommen hatte, baute er das Möbel zusammen und brachte es zur internationalen Firma, für die er diesen Prototypen geschaffen hatte. Es war üblich, dass er einen ersten Betrag erhielt und dann Prozente auf die verkauften Stückzahlen. Ihm gefiel das Pult sehr gut, wie es dastand. Ein Schreibtisch mit mehreren Schubladen, bestechend durch seine schräge Form und den gedämpften Gelbton, den er durch eine besondere Beize erreicht hatte.
Der Handelsmann schaute das Möbel an. Aber statt mit ihm in Verhandlung zu treten, öffnete er die Tür und schob es aus dem Laden. Das Möbel rutschte die abfallende Gasse hinunter und unten direkt in eine Halle hinein.
Den Herrn verwundert anschauend, erhielt er zur Antwort: „Die wissen da unten, was damit zu tun ist.“
Er war zu verblüfft, um darauf zu reagieren. Der Händler fragte nach seiner Adresse und versicherte sich, dass die Daten auf seinem Bildschirm mit den genannten übereinstimmten. Dann sagte er, „man wird sich in den nächsten Tagen bei Ihnen melden.“
Erduan verabschiedete sich. Er war so verunsichert, dass er nicht wagte, den Kaufmann auf den Vorschuss anzusprechen.
Unten, am Fuß des steilen Viertels, wurde ihm die Sache erst klar. Es handelte sich um die Halle einer Müllverwertungsfirma. Er schaute sich um, aber sein Prototyp war nirgends mehr zu sehen. Mit düsterer Ahnung sah er voraus, was die Meldung in den nächsten Tagen sein würde.
Hatte er sich nicht entschieden, eine Weile in China zu leben? Da bot sich ihm doch die ideale Gelegenheit, das Lächeln in jeder Situation zu üben, mochte die Lage noch so aussichtslos sein. MLF

Dienstag, 21. Februar 2012

14 „Ärzte in ihrer Vierigkeit“

Bisher hatte mich wenig gestört, dass Mili nicht lesen konnte oder es nicht wollte. Doch diese Nacht überfielen mich Zweifel, ob ich auch alles richtig wiedergab, was sie mir berichtete. Ich lag neben ihr und machte mir Gedanken, wie ich sie dazu bringen könnte, meine Texte noch mal gegenzulesen oder gegenzuhören, vor dem Uploaden. Als ich mich ihr zuwandte, bemerkte ich einen gewissen Unwillen in ihrem Gesicht und dann zog sie die Decke über ihren schönen Körper. In dem Moment war mir das gar nicht unrecht, weil ich mit ihr nach einer Lösung suchen wollte, wie Wiedergabe-Fehler möglichst vermieden werden konnten.
Es war nicht das erste Mal, dass ich mit diesem Anliegen kam. Sie war dann immer dahin ausgewichen, dass sie mich ja mittags anrufen könne, wenn sie spüre, dass ich etwas falsch aufgefasst habe. Davon hatte sie auch tatsächlich ein paarmal Gebrauch gemacht und ich hatte noch Änderungen anbringen können. Aber mir genügte das nicht. Woher sollte sie so genau im Gefühl haben, wie ich ihre Geschichte aufgefasst habe? Ich wünschte, dass weniger Verantwortung auf mir lastete. Und so sagte ich es ihr auch.
„Mili, die Verantwortung ist mir einfach zu groß. Manchmal werde ich schier erdrückt von meinen Zweifeln.“
Sie bequemte sich immerhin zu einer Antwort, aber in einer kryptischen Art, wie immer, wenn sie sich nicht in einem Bild, sondern in einem Satz auszudrücken hatte.
„Ja, mein Gott, Ärzte haben das dauernd in ihrer Vierigkeit. Da muss man nicht unerwartet von Frankfurt her Traurigkeit setzen.“
Okay, dachte ich, viel bringen wird’s wohl nicht, wenn sie meine Texte überarbeitet. Am Schluss würden alle Sätze so klingen. ‚Ärzte in ihrer Vierigkeit‘, ‚von Frankfurt her Traurigkeit setzen‘.
Aber ich war trotzdem froh, das Thema nochmal angesprochen zu haben. Zu wissen, dass ich nichts ändern konnte, befreite mich tatsächlich ein Stück weit von den Sorgen.
Nun erwachte die Lust in mir und ich wollte mich mit ihr tummeln. Aber sie hatte auch ein Kapitel, das ihr wichtig zu sein schien.

Mili umschloss mein Glied, das jetzt ziemlich schwer war, an der Wurzel, samt Zubehör. Dabei reckte sie sich zu mir hoch und flüsterte mir ins Ohr, „dein Schlüssel zur Gnade.“
Ich schaute sie verwundert an. Sie legte sich zurück auf ihr Kissen, wechselte die Hände, sodass sie ‚meinen Schlüssel‘ jetzt mit der Linken hielt. Nackt lag sie neben mir mit ihrem wunderschönen Körper. „Du stattest deine Stimme nicht mit viel Sexualität aus“, sagte sie. Durch den Ton, wie sie’s sagte, gab sie mir zu verstehen, dass sie dies jedoch von mir erwartete.
Etwas betreten antwortete ich. „Ich werde darauf achten, wo sich Gelegenheit bietet, ‚meiner Stimme mehr Sexualität zu verleihen.“
Da ließ sie mein Glied los. Es war so hart dass es schmerzte. Ich konnte es kaum erwarten, bis sie mich einlud, in sie einzudringen. Aber sie hatte noch etwas anderes auf dem Herzen.

Sie reichte mir etwas Langes, Dünnes. Verblüfft nahm ich es entgegen und hielt es an den milden Schein der Bettlampe. Es war ein Schildchen, wie man es neben die Türklingel oder auf den Briefkasten klebt.
„Was ist damit?“, fragte ich verwundert.
Sie gab keine Antwort. Aber mir war auch so klar, was sie wollte.
Reicht es, wenn ich Mili schreibe?
Sie wiegte den Kopf
Mili Lula?
Wieder verneinte sie
Also wollte sie ihren vollen Namen an meiner Tür sehen. Mili Lula Fischschwanz.
Was wird die Briefträgerin denken, wenn sie das liest? Was werden die Freunde sagen, wenn sie auf Besuch kommen?, fragte ich mich besorgt. Zwar dachten sich wohl die meisten meiner Bekannten, dass ich jemanden hatte, da ich so sorgsam darauf achtete, spätestens um Mitternacht zu Hause zu sein. Dann und wann sprach ich auch von Mili oder Mili Lula. Aber ich hatte noch niemandem gegenüber ihren Nachnamen genannt. Allerlei Ausflüchte fielen mir ein. Ihr Name sei zu lang. Er sei nicht ortsüblich. Dass nur Personen, die bei der Gemeinde gemeldet seien, auf dem Briefkasten stehen dürften... Doch ich wusste, dass sie das Schildchen nicht zurücknehmen würde. Also nickte ich und sagte, „ich werde es anbringen – Mili Lula Fischschwanz.“ Dabei musste ich mir das Lachen verkneifen.
Zum Liebesakt, den ich inzwischen so sehr ersehnte, kam es nicht mehr. Sie zog die Decke über uns, drehte sich mir zu und legte ihren Arm über meine Brust. Ich lag lange wach, weil mein steifes Glied mich störte. Aber schließlich tat ihr gleichmäßiger Atem seine Wirkung und ich schlief ein. AS

Montag, 20. Februar 2012

13 Klingelton


Deutlich erinnere ich mich noch daran, wie ich anfangs einmal zu früh kam, als ich gerade entdeckt hatte, was für eine Wonne und Freude es war, Mili beizuwohnen. Nicht beim ersten Mal war es gewesen, sondern beim dritten oder vierten Mal. Ich glaubte die Welt würde untergehen und ich könnte nie wieder die Erfüllung mit ihr erleben.
Heute ist mir das wieder passiert. Es war gar nicht so schlimm. Ich hätt’s gern nochmal probiert. Aber sie hatte keine Lust mehr.
Die Geschichte, die ich von ihr zu hören bekam, fiel auch eher karg aus. AS

Tommy steht auf der Straße vor dem Heimhaus draußen. Sein Handy klingelt. Es steckt in der linken Brusttasche. Da er die Arbeitshandschuhe anhat, kann er das Knöpfchen nicht öffnen. Sie auszuziehen würde zu lange dauern. Vom Haus drin kommt gerade Jackie, sein tatkräftiger Bruder daher.
„Du Jackie, mach mir doch schnell die Tasche auf. Ich komm nicht ans Handy ran“, bittet er seinen Bruder.
Der brummt zwar, ist aber bereit ihm zu helfen. Jackie braucht eine Weile, bis er realisiert, was für ein Knopf es ist. Endlich kriegt er’s auf. Aber der Anruf ist schon weg. Sie warten eine Weile, doch das Klingeln kehrt nicht wieder. Tommy ist enttäuscht und beunruhigt.
Bedrückt wendet er sich Astrid zu, seiner Freundin, die mit weiteren auch draußen auf der Straße steht. Sie hat mitgekriegt, was passiert ist.
„Nimm’s nicht so ernst, Tommy, die rufen schon wieder an“, beruhigt sie ihn. „Du hast eine schlechte Nacht gehabt. Die halbe Nacht hast du dich hin und her geworfen.“
„Aber dann bin ich doch noch eingeschlafen.“
„Ja, und dabei hast du laut aufgeschrien.“
„Stimmt, es war eine schreckliche Nacht“, gibt Tommy zu. „Ich habe mit Millionen von Bettlingen gekämpft.“ MLF

Freitag, 17. Februar 2012

12 Luft wie Wasser j



Noch immer ist Kermit betäubt von dem Erlebnis mit den Flugzeugen. Doch nach und nach bemerkt er, wo er sich jetzt befindet. Er erkennt den Ort aufgrund seiner bewegten Oberfläche und des lichten Kiefernwaldes. Es ist ein Erdrutschgebiet im Bündnerischen. Eine Landschaft, die dieser gleicht, findet man sonst nicht in diesem Land. Die Gletscher verschiedener Eiszeiten haben alles geglättet. Der lichte Wald schafft eine Atmosphäre des Schutzes und beschränkt doch nicht die Bewegungsfreiheit.
Als Kermit sich versichert hat, dass er sich tatsächlich in diesem wilden, fast futuristisch anmutenden Gebiet befindet, geht er auf Entdeckung. Erleichtert stellt er dabei das Fehlen feindlicher Gefühle fest. Schon bald bemerkt er, dass er nicht alleine in diesem Wald ist. Nicht weit entfernt stößt er auf einen Pavillon. Das Dach ist flach zugespitzt, die Wände sind rundum verglast. Kermit ist neugierig, welchem Zweck dieser schöne Pavillon mitten im hellen Wald wohl dienen mag. Eintretend trifft er auf einen Mann, der seinem früheren Lehrer ähnelt und auf Andrin, seinen besten Freund. Abgesprochen war es nicht. Purer Zufall. Aber ein Zufall, wie man ihn sich wünscht.
Als er den Raum betritt, spürt er, dass das Raumklima von dieser besonderen Art ist, wie über dem Atlantik, es vereint auch hier die Eigenschaften von Luft und Wasser. Sein Lehrer scheint um einen ganzen Kopf gewachsen. Normalerweise sind die Lehrer doch kleiner, wenn man sie nach langer Zeit wiedersieht. In diesem Fall ist es genau umgekehrt. Und noch etwas erstaunt. Er kommt ihm näher und verfolgt neugierig, wie Kermit sich verhält. Nicht als Pauker begegnet er ihm, sondern er sucht seine Kameradschaft. Während Andrin still in der Ecke bleibt und ihre Begegnung mit seiner Anwesenheit wärmt.
Die sonderbare Raumdichte verführt Kermit zu hopsen. Seine Schuhe fühlen sich an wie vollelastischer Gummi. Kniehoch springt er und kommt sanft wieder runter und federt erneut hoch. Spielend hüpft er durch den Raum, ohne Anstrengung. Schuldbewusst schaut er zu den beiden. Aber sie sind nicht befremdet. Im Gegenteil, sie schauen ihm interessiert zu. Das ermutigt ihn weiter zu machen. Den Impuls, sich im Salto zu überschlagen, unterdrückt er. Aber er dreht sich im Hochspringen in die Horizontale und im Fallen wieder in die Vertikale. Als er bei der Glaswand anlangt, stößt er sich hochspringend von ihr ab und dringt bis in die Mitte des Raumes vor, ohne an Höhe zu verlieren. MLF

Was ist denn das für ein Schluss, fragte ich Mili. Doch sie machte keine Anstalten, die Geschichte abzurunden. Im Gegenteil, sie drehte sich um und zog sich die Decke über den Kopf.
Am nächsten Tag blieb mir nichts anderes übrig, als die Geschichte selber abzuschließen:
Als Kermit sich horizontal durch den Raum bewegt, winkt Andrin dem Lehrer und ihm.
„Genug gespielt, setzt euch“, ruft er und schenkt jedem von ihnen eine Tasse Tee ein. Kermit gehorcht und setzt sich zu Andrin auf die Bank. Der Lehrer nimmt auf dem Stuhl gegenüber Platz.
„Ihr glaubt nicht, wie anders ich dieses gleiche Medium vor ein paar Stunden erst erlebt habe“, sagt er. „Es hat mich völlig aggressiv gemacht.“ Und Kermit erzählt ihnen die ganze Geschichte, wie erst andere die Fremden attackiert haben und wie er dann selbst losgezogen ist. Und wie ihn seine Fantasien fast in den Wahnsinn getrieben haben. Er endet mit der Frage. „Wie kann es nur sein, dass die selbe Luft hier so anders auf mich wirkt?“
Der Lehrer macht eine Gebärde, als wollte er etwas umfangen. „Dieses Medium braucht einen schützenden Raum“, sagt er und fügt hinzu. „Darauf haben wir uns hier im Bündner spezialisiert.“
Erst jetzt findet Andrin Gelegenheit ihm den Mann an seiner Seite vorzustellen.
„Darf ich dich mit meinem Bündner Coach bekannt machen?“
Der Mann schaut Kermit tief in die Augen. Erst jetzt bemerkt er, dass die Ähnlichkeit zu seinem früheren Lehrer nur eine oberflächliche ist.
„Er wird dich gerne auf deinen weiteren Reisen begleiten. Du wirst sehen, dass sie ganz anders verlaufen werden.“
Der Bündner Coach bekräftigt das Angebot mit einem durchdringenden Blick. AS

Donnerstag, 16. Februar 2012

12 Luft wie Wasser i

Manchmal reißt mich ihre Liebe in einen tiefen Abgrund und versetzt mich in panische Ängste. Früher bin ich dann aus dem Bett gesprungen und habe sie damit vertrieben. Inzwischen nehme ich dies viel gelassener. Auch wenn sie mich dem fernsten Winkel aussetzt, weiß ich, ich werde umkehren und vielleicht noch im Ausklang etwas Erfüllendes erleben.
Heute war es so. Ich fürchtete mich in sie einzudringen. Doch am Schluss schwebte ich auf Wolken der Lust.
So ähnlich war auch die Geschichte geteilt, die sie mir erzählte. AS

Mit großer Macht holen ihn Ängste ein und katapultieren ihn an einen Ort über dem Meer auf der anderen Seite des Atlantiks. Also irgendwo vor der Küste der USA oder Kanadas. Wenn man den Schwerpunkt des atlantischen Bündnisses errechnen wollte, so befände er sich vielleicht genau dort. Er steckt in einem Flugzeug, das sich nicht bewegt, es ruht. Die Luft hat die Eigenschaft von Wasser.
Es nahen andere Flugzeuge vom Osten her. Kermit vermutet, von Russland oder vom Orient oder gar von Südostasien her, jedenfalls von einem fremden Ort, den er nicht kennt. Die Flugzeuge halten nicht weit von dem ihren und rasten ebenfalls.
Ohne dass er recht weiß wieso, empfindet er diese fremden Flugzeuge als Bedrohung. Für ihn sind sie Eindringlinge, die sich ungefragt an den Ort begeben haben, an dem sie zuerst waren. Er stellt sich vor, wie jemand aus dem Flugzeug, in dem er ist, aussteigt und eines der anderen Flugzeuge attackiert. Obwohl es ihm peinlich ist, kann er nicht anders, immer wieder überkommt ihn die Vorstellung, wie jemand aussteigt und die andern Flugzeuge zerstört. Er fragt sich sogar, woran das liegen könnte, dass er solche Aggressionen empfindet. Ob es an dem fremdartigen Medium liegt, einer Luft die sich im Zustand von Wasser befindet.
Er ertappt sich dabei, wie er nun selber das Flugzeug verlässt. Mit einer Handgranate bewaffnet schwimmt er zum nächsten der Flugzeuge, klebt diese mit einem schnellheftenden Band an den grauen Flugzeugkörper, zieht die Schnur und schwimmt schnell weg. Erst die Druckwelle der Detonation schreckt ihn aus seiner zerstörerischen Fantasie auf.
Und wieder fragt er sich, was habe ich gegen diese Flugzeuge? Wenn ich sie angreife, werden sie sich wehren. Sie werden auf mich schießen, wenn ich mich annähere. Sie werden ihrerseits versuchen, unser Flugzeug zu sprengen. Doch kaum dass er seiner Fantasie die Zügel lässt, beginnt das Angriffsspiel von neuem. Alle vier Flugzeuge hat er schon mehrfach in die Luft gesprengt.
Bei einer der Detonationen sind im Gewirbel der Flugzeugteile auch Blätter. Eines kriegt er zu fassen. Darauf steht die Geschichte von einem, der aus seinem Flugzeug steigt, zum nächstgelegenen Flugzeug schwimmt, daran eine Bombe befestigt, den Zünder zieht und mitten in der Explosion ein Blatt entdeckt, in dem …
Mit einem fürchterlichen Schrei landet er auf dem Boden einer fremdartigen Landschaft. Er wirft sich ins feuchte Moos, um den von den Aggressionen erhitzten Körper zu kühlen.  MLF

Mittwoch, 15. Februar 2012

11 Schwarz Beflügelte


Als Mili neben mir lag, machte sie eine ihrer vieldeutigen Bemerkungen, über die man sich Stunden und Tage den Kopf zerbrechen konnte.
"Endlich mal richtig. Vierzig Jahre..."
"Vierzig Jahre lang falsch gemacht", ergänzte ich, ihrem Tonfall entsprechend.
Von ihr kam keine Antwort.
Tja, was denkt man sich bei so einem Satz? Alleine für sich, sagt er ja nichts aus. Aber da ich sie ein bisschen zumindest kannte, vermutete ich, dass es einmal mehr um das Thema, 'hombsch oder nicht hombsch‘ ging. Das hinderte sie aber nicht daran, mich an sich zu ziehen und sich mit mir zu vereinen.
Darauf ließ sie mich die folgende Geschichte hören. AS

Zu ihrem Fest in der Stadt hatten die Hombschen (Schwulen) einen Tisch an den anderen über die Flussbrücke gereiht. So viele waren sie inzwischen, die offen lebten, dass es leicht war, alle Plätze zu füllen. Für Lothar, der spät kam, blieb nur ein Platz am Quai, wo man ein paar zusätzliche Tische hingestellt hatte. Während auf der Brücke schon lange festlich getafelt wurde, war sein Tisch noch immer leer. Als er bemerkte, dass man ihn vergessen hatte, ging er zur Brücke. Es gab Äpfel im Schlafrock und es waren genug davon da. Aber niemand kam auf die Idee, ihn zu fragen, ob er einen möchte. Und er selber war zu schüchtern, um sich selbst zu bedienen.
Da kam Manfred, ein Bekannter von ihm vorbei. Der schien seine Enttäuschung zu erraten, denn er forderte Lothar auf, ihn zu begleiten.
„Was willst du hier? Da gehörst du doch nicht dazu. Ich weiß dir einen besseren Ort, wenn du Sex haben willst.“
Aus Enttäuschung ging Lothar mit. Er hatte kein gutes Gefühl dabei. Der Bekannte war ziemlich skrupellos, wenn es darum ging, seine Sinnlichkeit auszuleben.

Manfred führte ihn zu einem Bahndamm, hinter dem sich ein schroffer Hügelzug erhob. An dessen Hang wucherten die Häuser eines heruntergekommenen Viertels. An der Böschung des Damms standen auf einem Absatz mehrere Prostituierte. Eine von ihnen öffnete ganz unverblümt ihre Bluse und präsentierte ihre prallen Brüste. Lothar war selbst überrascht, wie unbeteiligt er darauf starrte, als handelte es sich um zwei Nähkissen aus fleischfarbenem Trikot. Anscheinend hatte die Verwandlung, die er schon länger spürte, endgültig vollzogen. Er sprach nicht mehr auf ihre Reize an. Nach dieser Entdeckung hätte er eigentlich gehen müssen. Doch er blieb.
Seitlich, dem Damm entlang, war in einem Tunnel eine Kneipe, aus der grölende Stimmen von Besoffenen herschallten. Da hörte er Flügelschläge. Genau genommen hatte er sie schon seit der Ankunft beim Damm vernommen, aber erst jetzt realisierte er, wo das Geräusch herkam und schaute nach oben. Da sah er auf dem Hügelkamm, im Gegenlicht des gelben Abendhimmels, Beflügelte in schwarzen Ausrüstungen wie riesige Vögel umherflattern. Von ihnen kam das schwingende Geräusch. Ah, die schwarzen Gestalten kenne ich, erinnerte er sich. Eine neue Form zu demonstrieren. Wenn sie etwas nicht gutheißen, gehen sie nicht mehr auf die Straße zur Gegendemo, sondern belauern den Ort von oben in ihrem schwarzen Outfit. Das machte echt Eindruck, vor allem das Geräusch und die Schattenwirkung.
Statt zum Fest der Hombschen zurück zu kehren oder nach Hause zu gehen, setzte sich Lothar neben Manfred ins trockene Gras der Böschung. Ihm schien, es werde immer dunkler. Da sah er, wie die Beflügelten einen Vorhang bildeten von ganz oben herab bis auf die Gebäude ihnen gegenüber. Sie waren lückenlos verkettet über- und nebeneinander – Menschen wie du und ich, die sich die Zeit nahmen für dieses Engagement. Er sah wie die in der untersten Reihe ihre Arme ausschüttelten, weil sie vom Hochstrecken erschlafft waren. Wie machen das die oberen, fragte er sich, die konnten ja nicht einfach loslassen. Bei näherem Hinschauen bemerkte er, dass zusätzlich zwei Gummibänder mit Haken bei jedem Beflügelten für die Verbindung nach oben sorgten. Das Ganze wie ein riesiger gewölbter Vorhang. Die Stimmung erinnerte an eine Sonnenfinsternis. Dann schwangen sie ihre Flügel und weg waren sie.
Manfred wollte ihn überreden mit in den Tunnel zu kommen. Aber er entschloss sich anders. MLF

Dienstag, 14. Februar 2012

10 Wie in einem Roman von ... j


Er hatte plötzlich den Eindruck, sie befänden sich in einem Roman von H. Mukamari, diesem Künstler, bei dem man nie wusste, ob das, was man las, real war oder nicht. Er erinnerte sich, dass in dem Roman ein Verbrechen geschah. Dieser Junge wird das Mädchen umbringen, glaubte  er und erschrak gleichzeitig ob seinen Gedanken. Es war wirklich ein saublödes Gefühl.
Der Junge schien jedoch ganz unbekümmert und wies auf den zweiten Wohnblock in der Kette der Wohnfabrik hin. "Da bin ich untergebracht", sagte er freimütig, "und ab und zu darf ich zu meiner Familie."
Aha, dachte Jasmus, er ist also dort untergebracht. Ein Verbannter. Wie er selber ja eigentlich auch. "Und wie alt bist du?", fragte er gerade heraus, um in diesem unsicheren Punkt Klarheit zu bekommen.
"Im Jahr ... in Heimen geboren", kam als knappe Antwort.
Jasmus glaubte nicht recht zu hören. Genau so alt wie er und auch noch im selben Ort zur Welt gekommen. Das war es wahrscheinlich, was ihn an diesem Mann so befremdete. Er war nicht gealtert. Das konnte nur vom Dahinvegetieren in einem solchen Wohnblock herrühren, zum Nichtstun verdammt. Mit seinem aufgeschwemmten Vollmondgesicht und den tapsigen Bewegungen wirkte er noch immer wie ein Kind.
Jasmus fiel wieder der Roman ein. Jeden Moment konnte etwas Grausiges geschehen. Er wusste, dass er daran nichts ändern konnte. Er könnte höchstens aufhören sich zu erinnern- Aber die Geschichte würde dadurch nicht gelöscht. Wenn es ihm dagegen gelang, sie wachzurufen, so würde ihn das Schreckliche nicht ganz so unerwartet treffen. Sie betraten das hohe Gebäude, in dem Jasmus wohnte und stiegen durch das schwach beleuchtete Treppenhaus hoch.
Das Verbrechen war ziemlich am Anfang verübt worden. Ansonsten hatte er den Roman als eher aufbauend in Erinnerung. Aber das war eine echte Tortur. Er erwartete, dass dieser Junge das Mädchen tötete. Aber wie? Im Geist sah er einen Schlagring vor sich. - Mit einem Schlagring? In seinem Beisein? - Grauenhaft. Wie würde er nachher vor ihre Eltern treten? Schweiß rann ihm von der Stirn. Ändern konnte er nichts.
Auf einer der Zwischenstufen machten sie Rast. Leute hatten alte Stühle und Müll hinterlassen. Er und das Mädchen setzten sich. Der Junge nicht, der ging weiter.
Nach einer Weile kam er zurück, ganz aufgeräumt, munter, wie ihm Jasmus nicht zugetraut hätte. "Ich habe in vier Sekunden..."
Was hast du?
Er drängte Jasmus ihm zu folgen. Er müsse unbedingt kommen.
Ihm war nicht wohl dabei. Vielleicht war das eine Falle, um ihn vom Mädchen wegzulocken. Andererseits wollte er ihm den Wunsch nicht abschlagen, da er so gut drauf war. Verändern konnte er sowieso nichts, der Roman war längst geschrieben. Vier Sekunden hörte sich nach einer super Zeit an. MLF

Und, ist das alles?, fragte ich verwundert. Sie sah mich auffordernd an, als wollte sie sagen: Du hast doch den Roman gelesen, erinnerst du dich nicht, Toni?
Nein, ich kannte ihn nicht. Und ich war sogar froh darum. Das Schreckliche war noch nicht eingetreten. Ich konnte mir eine schönere Wendung ausdenken. Zum Beispiel, dass der Junge durch eine Entdeckung, die er gemacht hatte, plötzlich gereift war und das Mädchen heil nach Hause kam. AS

Montag, 13. Februar 2012

10 Wie in einem Roman von ... i


Es gibt auch Momente, da mich Milis Gegenwart erschauern lässt. Die Vereinigung mit ihr in der Liebe wie ein finsterer Akt erscheint. Dieses Mal war es so.
Das ist die Geschichte, die sie mir danach erzählte.  AS

Von den Spaziergängen, die er gemacht hatte, an einem schönen Hang oberhalb eines Sees entlang, schloss er, dass es sich um Sipplingen handelte. Aber er war sich nicht sicher, weil er sich die ganze Zeit zwischen drei riesigen Gebäuden aufhielt, die eine Welt für sich bildeten. Das eine ein hoch aufragender, moderner Büro- und Wohnturm, in dem er hauste. Rechts daneben eine Kette von wuchtigen Wohnblöcken und davor ein älteres Gebäude, nicht so riesig wie die anderen beiden und dadurch etwas vertrauter wirkend.
Wenn man sich Jahr und Tag an einem eher unwirtlichen Ort aufhält, hat man mit der Zeit so seine Kniffs raus, wie man sich sein Leben etwas erleichtert. So hatte Jasmus auf der abgelegenen Seite des älteren Gebäudes eine Nische entdeckt, in der er einige Vorräte horten konnte. Chinakohl, Gemüse und ähnliche Dinge hielt er sich dort frisch.
Eines Tages, als er wieder nach seinen Schätzen schaute, sprach in der Mann an, der unterhalb des Verstecks seine Wohnung hatte. In komischer Weise, wie in einem schlechten Märchen.
"Was machst du hier eigentlich?", fragte er.
Es war irritierend, weil er es ja wissen musste. Er hatte ihn schon oft gesehen. Da Jasmus nicht gleich antwortete, lächelte der Mann einladend. Wohl um seiner Verunsicherung zu entgegnen. Da brachte Jasmus endlich hervor: "Hier hält es frisch. Das ist mein Kühlschrank." An diese Stelle schien die Sonne zu keiner Zeit des Tages hin.
Als Jasmus einmal an einem Nachmittag oder frühen Abend dahin kam, trat das Mädchen von diesen Leuten unterhalb aus der Tür und drängte darauf, ihn begleiten zu dürfen. Dem Alter nach mochte sie zwischen dreizehn und fünfzehn sein. Wahrscheinlich war sie gerade geschlechtsreif geworden. Sein Turm war ein eher unwirtlicher Ort. Was sollte sie dort. Aber da sie nicht nachgab, willigte er ein. "Okay, dann komm halt mit."
Sie waren erst ein paar Schritte gegangen, als von der langen Wohnfabrik her ein unförmiger Junge - oder war es ein Mann? - auf sie zukam. In irgendeiner Weise war er behindert, nicht stark, gerade so an der Grenze, jedenfalls nicht ganz normal.
"Ich möchte auch mit", bat er flehend, so dass Jasmus ihn nicht abweisen konnte. Das Mädchen rannte voraus und sie gingen hinter ihr her. Von da an, war Jasmus die Sache nicht mehr geheuer. MLF

Freitag, 10. Februar 2012

9 Schönheit mit flacher Brust


Am folgenden Tag hatte ich noch etwas anderes vor, als mich nur mit ihren Bildern abzumühen. An einer Feier bei einem Freund und seiner schönen Gemahlin wollte ich teilnehmen. Ich wusste, ich durfte mir die Vorfreude nicht zu sehr anmerken lassen. Sonst konnte sie mir leicht einen Stein in den Weg legen. Sie lag mit dem Rücken zu mir. Half mir aber mich von hinten einzuführen.
Dass sie Bescheid wusste, bemerkte ich an der Geschichte. Sie tat so, als sei diese ganz neutral - eines der vielen Bilder, die sie zufällig in der Ferne sah - dagegen erkannte ich die Geschichte als hochgradig manipuliert.  AS

Bei Alex zu Besuch, anlässlich seines Geburtstags. So richtig warm wird René mit den anderen Gästen nicht.In Anbetracht der vielen Besucher wirkt die Wohnung klein. Sie ist zweigeteilt. Im hinteren Bereich steht vor der Küche der Esstisch, um den die Gäste sitzen und an der Zwischenwand ein tiefes Regal, ausladend wie ein Bettgestell. Durchs Fenster sieht er den Südbahnhof. Es heißt, dass später eine Diashow gezeigt werden wird.
Das ausladende Regal ist voller Kleinkram. René entdeckt darin einige kleine Teller. Da fällt ihm ein, dass Alex über mangelndes Geschirr geklagt hat. Er sammelt die Tellerchen ein und trägt sie am Tisch vorbei zur Küchentheke. Dabei entwischt ihm eine spitze Bemerkung.
Geschirr hätte Alex genug, er müsste es nur einsammeln.“
Alle lachen, auch Alex. Doch sein Lachen wirkt etwas gezwungen. Da erst kommt René der Gedanke: Vielleicht hat sich Alex gewünscht, dass man sich zusammentut und eine Geschirrgarnitur schenkt. Darauf ist jedenfalls niemand gekommen. Auf dem Gabentisch stehen Geschenke im Format von Büchern und Pralinenschachteln und etliche Weinflaschen. Das nächste Mal!
Als René wieder ans Regal stößt, ist auf dem mittleren Boden, der nach oben viel Freiheit hat, eine Liegematte. Miranda, die schöne Gastgeberin ruht sich aus. Nach den ganzen Vorbereitungen ist ihr das wohl zu gönnen. Er setzt sich hoch auf die dünne Matratze. Muss seinen Kopf ein wenig einziehen, um nicht gegen das obere Brett zu stoßen. Sie plaudern zusammen. Miranda hat eine wohltuend tiefe Stimme. Er bemerkt, dass ihre Bluse offen ist. Ihre Brust ist ganz flach. Erschrocken schaut er zur Seite. Aber sein Blick wird wieder hingezogen. Ein sehr schöner Oberkörper, aber keinerlei Brustansatz. Also gibt es das doch. Vielleicht gerade bei besonders schönen Frauen.
Auch eines der Kinder ist da. Es sitzt auf einem Stuhl, ist eingenickt. Der Kopf lehnt hinten auf dem Regal.
Als er Miranda später bei der Tür trifft, trägt sie einen burschikosen Kaputzenpulli. Unwillkürlich zieht sie, als sie sich begegnen, den Reißverschluss hoch. Deutlicher Beweis, dass sie seinen Blick auf der Liegematte bemerkt hat.
René setzt sich wieder auf das zur Liege umfunktionierte Regalbrett und blättert in einem großen Fotoalbum. Dabei stößt der Umschlag versehentlich an den Kopf des Kindes. Es schreckt kurz auf, bleibt aber ihm Tran und nickt wieder ein.
Später steht René unschlüssig bei der Tür. Als Miranda kommt, fragt er. „Wie ist eigentlich der Zeitplan? Wann ist die Vorführung? Je nachdem würde ich nachhause gehen und später wiederkommen.“
Ach, bleib doch, das lohnt sich doch nicht. Es ist schon bald soweit", tönt es mit wohlklingender Stimme.
Da wird ihm auf einmal bewusst, dass er einen jungen Mann vor sich hat. Wahrscheinlich der Bruder der hübschen Gastgeberin. Nun ist die Langeweile weg. MLF

Donnerstag, 9. Februar 2012

8 Finanzierung durch Frauen

Neulich, in einem Augenblick des Zweifels, als selbst ihr schöner Körper meine düsteren Gedanken nicht zu vertreiben mochte, fragte ich sie, ob sie auf Staub empfindlich sei. Als sie fragte, wieso? Gestand ich ihr, dass wir vielleicht bald im Stroh liegen müssten.
Ihre Antwort folgt jetzt, einige Tage später. Sie hat ein Säckchen dabei. Sie berührt mein Geschlecht bis ich hart werde und besorgt es mir mit der Hand. Ich helfe nach, indem ich die ihre umfasse. Als ich zum Erguss komme, zieht sie schnell das Säckchen hervor und stülpt es mir über. Auf die Frage, wozu das gut sei, meint sie, ich solle es zur Samenbank bringen. Dafür könne ich Geld verlangen. Mir kommen die Tränen vor Lachen. Da weiß ich mal wieder, an ihr habe ich mehr als an allem … der Welt. Darauf erzählt sie mir die folgende Geschichte. AS

Im Halbdunkel einer großstädtischen Straßenschlucht wartet Jasmus mit dem Produzenten vor dessen Gebäude. Sein Chef steht unter massivem Druck wegen der Finanzierung eines riesigen Projekts. Ein hoher Beamter hat sich angekündigt, um über das Sponsoring zu sprechen. In einem Offroader – so groß hat Jasmus noch keinen gesehen – rauscht der Erwartete auf dem Vorplatz ein. Die Bremsen quietschen, die rechte Tür öffnet sich, ohne dass sie jemand angerührt hat. Der Chef eilt hin und steigt ein. Jasmus folgt ihm. Noch bevor er den Beamten erkennt, sieht er den Kopf seines Arbeitgebers auf das Armaturenbrett sinken. Was ist los? Was ist passiert? Erst jetzt sieht er, der Beamte ist eine Frau. Nicht gerade eine Schönheit, aber von starker Ausstrahlung. Das scheint sein Chef nicht erwartet zu haben. Deshalb wohl der Aussetzer. Sie redet auf ihn ein:
So sprechen Sie doch. Was ist Ihre Idee? Wie viel brauchen Sie?
Doch der Chef reagiert nicht. Er steht eindeutig unter Schock. Die zupackende Beamtin hilft Jasmus den nicht ganz leichten Produzenten aus dem Wagen zu holen. Er hat sich so weit erholt. Mit ihrer Unterstützung kann er laufen. Jasmus geht voran, hoch in dessen geräumiges, lichtdurchflutetes Appartement. Die Resolute führt den Chef ins Bad.

Jasmus rennt hin und her in der großen Wohnung und weiß nicht was er machen soll, ob er den Notarzt rufen soll oder was. Das ist genau das Gegenteil, von dem was der Chef erwartet hat, sagt er sich. Nicht an Fürsorge fehlt es ihm, sondern an Geld.
In kürzester Zeit muss sich seine Notlage herumgesprochen haben. Drei Frauen stehen im Raum. Dicht beieinander und ähnlich arrangiert wie die drei, die Paris einst gegenüber standen. Aber im Unterschied zu denen von damals, sind die drei ziemlich hager. Dafür sind sie mitfühlend, umsichtig und hilfsbereit. Die Umsichtige hält bereits ein Handy am Ohr und scheint um Hilfe zu rufen.
Kurz darauf treffen von der Tür auf der anderen Seite des weitläufigen Wohnraumes zwei weitere Frauen ein. Diese sind nicht nur sehr vornehm gekleidet, sondern auch üppig im Fleisch. Sie streben auf dem direktesten Weg auf die Polstergarnitur zu und setzen sich auf die weichen, hellbraunen Sessel.
Als Jasmus zu ihnen tritt, ist er betroffen von der Vornehmheit, die sie ausstrahlen und von der Güte in ihrem Blick. Sie teilen ihm sogleich den neusten Stand mit:
„Wir haben eine Kampagne gestartet“, verkünden sie in eifrigem aber würdevollem Ton.
„Was für eine Kampagne?“, fragt er verwundert.
„Eine Sammlung für …“
Das ist ja der Produzent, sein Chef. Er glaubt nicht recht zu hören. Diese Frauen haben eine Well-Fair Sammlung für seinen Chef gestartet. Wenn der das erfährt, wird er nochmal in Ohnmacht fallen und so schnell nicht wieder aufwachen. Was machen die beiden eigentlich im Bad?, schießt ihm nebenbei durch den Kopf.
Doch die Frauen lenken ihn ab. Sie haben einen Korb mitgebracht und weisen ihn mit Nachdruck darauf hin. Er wirft einen Blick hinein. Obenauf sieht er das Bild eines Mannes mit dunkler Sonnenbrille auf einer Dachterrasse. Dem Typ nach könnte es Frank Sinatra sein. Oh je, denkt er, ob damit Geld zu machen ist?
Doch langsam erfüllt ihn das gute Gefühl: diese Frauen werden es schaffen. Sie werden zu vielen hinkriegen, was sein Chef von einem Einzelnen bis dahin vergeblich erwartet hat. MLF