Im gedämpften Lichtschein, der von der Stadt draußen ins
Zimmer fiel, bildeten sich Glanzstellen und Schatten, die Toni erst erfreuten
und dann erschreckten. Erst glaubte er, in den Wölbungen der Bettdecke eine
schöne, bewegte Landschaft zu erkennen. Dann erschrak er von dem schwarzen
Tunnel, der sich durch die Decke neben seinem Körper bildete. Elektrisiert fuhr
er hoch und bemerkte Mili. Sie schlug die Decke zurück und augenblicklich war
der Spuk verschwunden.
Nach ihrem Zusammensein holte sie zur folgenden
Geschichte aus. AS
Wenn Mark die Jauche ausgefahren hat [Kotstreuende Kuh, 02.02],
kehrt er zurück ins abgegrenzte Gebiet, das früher auch zum Land seiner Großeltern
gehört hat, heute aber Teil der Industriezone der Gemeinde ist. Das ausgedehnte
Gelände besteht aus einem flachen unteren Teil, der zu einer Terrasse hin
ansteigt, die einen Gipfel samt eindrücklicher Felswand umschließt. Das
Industriegelände darin ist in zwei deutlich getrennte Bereiche unterteilt. Die
Umgebung der Pforte unten, auf dem Niveau der Durchgangsstraße, besteht aus
Gewerbehallen und schlichten Wohnblöcken. Darüber, auf der Terrasse, gibt es
eine größere Siedlung, die sich aus gediegenen Gewerbegebäuden und stattlichen
Häusern zusammensetzt.
Während Marks Verwandte den Hof führen und die Tiere versorgen,
arbeitet er schon lange in diesem umzäunten Gewerbegebiet und wohnt auch hier.
Lange Jahre ist er im Pfortenbereich beschäftigt gewesen und hat mit seiner
Familie in einem der nüchternen Plattenbauten gehaust. Inzwischen ist er – auch
schon wieder etliche Jahre – im höher gelegenen inneren Bereich tätig. Er geht
einer anspruchsvollen Arbeit in einer Traumfabrik nach, die Bildsequenzen für
die Filmbranche und fürs Fernsehen bereitstellt. Wohnen tut er seit der
Trennung von seiner Frau mit Freund Heinrich zusammen, im unteren Geschoss
eines Zweifamilienhauses am Hang über der Terrasse.
Die Struktur dieses umzäunten Gebietes ist einem Bienenstaat
nicht unähnlich. Die Abwehr nach außen ist Aufgabe der an der Pforte
Beschäftigten. Die diffizileren Arbeiten werden im Innenbereich geleistet. Obwohl
Mark schon vor vielen Jahren in den Innenbereich gewechselt hat und dort
ziemlich eingespannt ist, wird er doch immer wieder von den Leuten an der
Pforte angesprochen.
„Mark, komm doch mal schnell, schau dir das an.“ „Was meinst du,
Mark, wie sollen wir da vorgehen?“ Oft geht es auch um finanzielle Sorgen. Die
Neulinge, die an der Pforte anfangen, kriegen meist nur ein Praktikantengehalt
und müssen unterstützt werden. Da er selber in dieser Zeit an Entbehrungen gelitten
hat und ohne den Hof im Hintergrund seine Familie nicht hätte ernähren können,
hilft er, wo er kann. Er bemüht sich auch Wege zu finden, damit finanzielle
Mittel von oben nach unten fließen.
Nachdem er wieder mal angehalten worden ist und dabei ziemlich
viel Zeit verloren hat, klagt er gegenüber seinem Freund, dass er so oft zu
Rate gezogen wird.
„Du bist selber schuld, entgegnet Heinrich, „brauchst ja nur nein
sagen.“
Mark nickt zerstreut. Die meisten im Innenbereich sind so mit
ihren Aufgaben verbunden, dass sie für die Probleme an der Pforte keinen Sinn
mehr haben. Nach einer Weile bemerkt er. „Irgendwie steckt noch in mir drin,
dass dieses ganze Land mal von meinen Vorfahren bebaut worden ist. Vielleicht fühle
ich mich deshalb verantwortlich und kann mich ihren Bitten nicht verschließen.“
„Ja, sag’s nur, du bist und bleibst ein Bauer“, kontert Heinrich.
„Und wenn du deine Felder jauchst, muss ich mir Tage lang die Nase zuhalten.“ MLF
…