Wendys vierunddreißigstes virtuelles Abenteuer
Über den Weg, der direkt zum Berghaus Adler hochführte, erreichte
Wendy einige Tage später die Berghöhe. Zwei einflussreiche Personen erwarteten
ihn, als er die letzten Stufen hochstieg. Sven Nova, ein bekannter Künstler und
Gerda Urban eine Gelehrte, die Vorsitzende der Bildungskonferenz. Sie wiesen
auf seine Plastik, die draußen auf dem Boden lag. Wendy sah erschrocken darauf.
Sie sah aus wie ein langer Wurm und wirkte sehr unansehnlich.
In unserem Berghaus hat eine solche Arbeit nichts zu suchen,
befand die Gelehrte streng. Der coole Künstler trat sogar darauf und sagte. Die
ist nicht nur unpassend, sondern auch unansehnlich.
Wendy wehrte sich. „Das Berghaus wird von den Montagnern unterhalten,
es steht allen offen. Warum sollte ich meine Erfahrungen nicht präsentieren
dürfen?“
Doch sein Einwand trug ihm nur abschätzige Blicke ein. Seine
Plastik sah nach der schlechten Behandlung so unansehnlich aus, dass er selber
fand, es sei besser sie zu beseitigen. Einer, der in seinem bürgerlichen Beruf
Kaminfeger war, kam mit einer Motorsäge. Er verhielt sich Wendy gegenüber
feindlich, und gab ihm mit dem Schwert der Säge zu verstehen, dass er aus dem
Weg gehen solle. Dabei berührte er die Spitze des Zeigefingers. Wäre die Kette
schon gelaufen, hätte er ihm den Finger zerfetzt. Dieses gewalttätige Vorgehen
bewirkte in Wendy einen Gesinnungswandel. Er herrschte den Mann mit der Säge
an.
„Machen Sie, dass Sie fortkommen. Das ist meine Plastik. Ich
alleine entscheide, was mit ihr geschieht.“ Er scheuchte den verdutzten
Kaminfeger fort. Dann besorgte er sich eine Kartonschachtel und legte seine
Pappmaché-Figur hinein. Er ging damit zum Verlies, zu dieser Vertiefung im
Fels, in der das lange Boot steckte. Hinten in der Wand waren Stahlsprossen in
der Wand. Über diese stieg er hinab und legte seine Kiste in den Schatten des
Bootes, so dass sie von oben nicht zu sehen war. Wenn die Zeit kommt, dass
jemand das Boot heraushebt, wird man auch meine Plastik entdecken. Diejenigen,
die wissen, dass ein Boot nicht in ein Verlies gehört, werden auch meine Arbeit
zu würdigen wissen.
Wie er durch diese Arbeit zu einem Außenseiter geworden war,
wurde ihm erst klar, als er in das Berghaus Adler ging, um sich zu stärken. Er
blieb alleine am Tisch, niemand setzte sich zu ihm. Und als er nachher durch
den Saal ging, zu schauen, ob da etwa noch ein Stück seiner Plastik liege,
wurde er von einem Bekannten aus der Stadt in wüster Weise angepöbelt.
„Du glaubst wohl, mit deinen verrückten Einfällen hier Aufsehen
erregen zu können“, blökte er ihn an. „Geh doch dahin, wo du hergekommen bist,
auf dein Dorf. Hier hast du nichts verloren.“
Wendy wollte diesem Streit nicht aus dem Weg gehen. Ihm lag auf
der Zunge zu sagen. Die schlimmsten Dörfler haben sich in der Stadt verschanzt.
Aber er spürte plötzlich wie an seinen Fingerbeeren etwas ausschlug. Es waren
Triebe wie bei den Kartoffeln. Um sie vor dem Städter zu verbergen, rieb er sie
sich schnell weg. Aber sie kamen immer wieder, an allen Fingerkuppen
gleichzeitig. Da bemerkte der Städter es doch. Schnell verließ Wendy den Saal.
Er strebte zur Felswand neben dem Verlies, wo sich ein Waschbecken befand. In
der kurzen Zeit bis dorthin, waren die Keime schon mehrere Zentimeter
gewachsen. Beim Waschbecken hielt sich ein jugendliches Pärchen auf. Als er zum
Wasser drängte, warf ihm die junge Frau einen giftigen Blick zu. Widerwillig
machten sie Platz. Endlich. Das fließende Wasser stoppte das Keimen und der
starke Reiz in den Fingerbeeren ließ nach.
Einer der Montagner, die für das Berghaus sorgten, schaute ihm
über den Rücken. Seine Stimme klang voller Mitgefühl.
„Du musst sie verstehen, sie können nicht anders. Sie haben eine Allergie gegen Hitler und
seine Leute.“
Wendy wischte sich die Hände ab und drehte sich um. Die bloße
Anwesenheit des Montagners beruhigte ihn schon. Er bemerkte.
„Aber das sollte sie nicht dazu verleiten, sich blind zu stellen.“
Der Montagner wies auf das Boot und sagte. „Ja, das scheinen sie
zu sein.“ MLF