So leicht lässt sich Toni
nicht mehr an der Nase herumführen. Er hat an Mili schon so viele
Verwandlungskünste erlebt, dass er sie sofort durch jede Verkleidung hindurch
erkennt. Nur diesmal liegt ganz eindeutig eine Farbige neben ihm. Schwarz wie
die Nacht hebt sie sich vom weißen Leintuch ab. Sie liegt von ihm abgewandt. Er
folgt mit den Augen den vollkommenen Konturen des Beckens, der Taille und der
Schulter. Das pechschwarze Haar ist gewellt. Wie diese schwarzen Sklavinnen,
denkt er, um die er die Sultane in den Geschichten immer beneidet hat, mehr als
um ihre Schatzkammern (Das eine mochte mit dem anderen etwas zu tun haben).
Während er noch überlegt, wie er die Exotin auf sich aufmerksam machen könnte,
erwacht die Schönheit und dreht sich ihm langsam zu.
„Mili“, ruft er verblüfft.
Sie lächelt triumphierend. Die Überraschung ist gelungen. Er ist sprachlos und
fällt ihr in die Arme.
Nach dem Liebesspiel tupft
er ihr mit einem Tuch die Schweißperlen von der glänzenden Haut. Sie bettet
sich hoch und beginnt mit ernstem Gesichtsausdruck ihre Geschichte zu erzählen.
AS
Er lädt Freunde ein und kocht zu Abend für sie. Er macht es
schnell, Spaghetti mit Sauce und Mischgemüse. Zum Essen geh‘n sie rüber ins
zweite Haus, in den Pavillon im Garten, der etwas höher liegt. Da sitzen sie um
den großen Tisch vereint. Thema sind in dieser Runde die Reisen. Als Jasmus an
der Reihe ist, berichtet er, was ihm mit Gila zugestoßen ist.
Die Freunde, alle sehr belesen, muntern ihn auf. „Ach was, das
geht vorüber. Meine Fahrerin hat mal ein ganzes Jahr gestreikt.“ „Meine ist eine
Zeit lang immer eingeschlafen. Dann mussten wir mittendrin anhalten.“ „Vielleicht
hat sie ja nur ihre Tage gehabt.“
So ne blöde Bemerkung, denkt Jasmus, aber er ist trotzdem erleichtert.
Da klingelt das Telefon. Die Vermieterin ist am Apparat. Wegen der Stimmen versteht
er nicht recht. „Seid doch mal etwas leiser“, bittet er seine Gäste. Durchs
Telefon hört er.
„Die andere Partei ist dagegen, dass getafelt wird.“
„Wieso?“, fragt er verwundert.
„Sie behaupten, nicht informiert worden zu sein.“
„Stimmt. Aber das hat mir auch niemand gesagt, dass ich das
müsse. Ich kenne sie ja nicht mal“, sagt Jasmus und kann seine Verstimmung
nicht ganz verbergen.
„Ich wollt’s nur gesagt haben“, bemerkt die Vermieterin
versöhnlich und legt auf.
Er guckt befremdet auf das Mobilteil, als könnte es ihm weitere
Auskünfte geben. Muss ich jetzt die Vermieter fragen, wenn ich hier ein paar
Gleichgesinnte einlade?, fragt er sich verärgert. Die können mich mal!
Sammy steht neben ihm, der sich den fremden Ländern mit Vorliebe
durch Kochbücher nähert. „Du, sag mal, wie hast du die Sauce gemacht?“
„Wie soll ich sie gemacht haben?“
„Kann es sein, dass du Pelatis aus der Dose verwendet hast?“
Jasmus verstummt. Es gibt die Regel, dass alles frisch sein soll,
wenn sie sich treffen. Unwillig stößt er hervor. „Ich hab schnell gemacht,
damit wir viel Zeit zum Reden haben.“
Er hört nachher wie Samy zu Lisa sagt: „Ja, er hat. Das wusst ich
doch. Da kann man mich nicht täuschen.“ Jasmus spürt den enttäuschten Blick von
Lisa.
Da scheint mal wieder eins zum anderen zu kommen. Ist doch wichtig,
im Haupthaus nachzuschauen, sagt er sich. Vielleicht sind diese anderen
Vermieter ja gekommen. Besser er sucht das Gespräch.
Im Haupthaus ist es dunkel. Nanu, eben hat noch das Licht
gebrannt. Er tastet sich zum Schalter vor, tippt ihn an, nichts ändert sich. Er
will es wissen und geht behutsam durch die Stube in den Flur. Auch da geht das
Licht nicht an. Vage ahnt er, die haben im Keller den Sicherungsschalter gekippt.
In der Küchenschublade findet er die Taschenlampe, öffnet die Kellertür. Schließt
sie aber wieder. Nein, er geht jetzt nicht da runter.
Als er wieder am großen Tisch sitzt, sind zwei Reisen Thema, die
er beide nicht gemacht hat. Die eine in die neuen Staaten des ehemaligen Jugoslawien.
Das ist für ihn eine weiße Fläche auf der Landkarte. Er weiß nicht mal wie die
Sprachen heißen. Kroatisch, klar. Aber Bosnisch, gibt es die? Die andere Reise
ins aufstrebende China. Wenn man den Berichtenden glauben will, herrschen dort
Zustände wie in Europa zur Zeit der Industrialisierung. Er sitzt stumm dabei.
Ohne Gila ist er aufgeschmissen. Dann kommt er nirgends mehr hin. Eigentlich
kann er dann auch die Teilnahme an diesen Treffen lassen. Nur zuhören mag er
nicht. Er will mitreden, aber dazu muss man informiert sein.
Mit der Begründung eines Kurzschlusses im Haupthaus bittet er die
Gäste, für den Nachhauseweg die Gartentür zu nehmen. Jasmus entscheidet sich
dafür, ohne Licht ins Bett zu gehen.
Als er am nächsten Morgen aufsteht, brennt sowohl in der Stube,
als auch im Flur das Licht. Wieder alles normal. Er hat es fast vermutet. Wenn
wieder so ein Konflikt auftritt, brauch ich nur den Morgen abwarten. Dann ist alles
wieder beim Alten, sagt er sich beruhigt.
Doch die nächste Reiserunde bei ihm wird im Herbst sein. Sie
werden am Tisch in der Stube sitzen. Was ist, wenn dann das Licht ausgeht? Soll
er Kerzen aufstellen? Was denken die Freunde, wenn bei ihm jedesmal, wenn sie
kommen, Stromausfall ist? Besser ist es das Gespräch zu suchen. Diesen Wunsch teilt
er seiner Vermieterin mit.
Tage später sieht er sie, die andere Partei. Die Vermieterin hat
ihn in ihr Büro in einem modernen Gebäude an der Fußgängerzone gerufen. Sie
tritt ans Fenster und winkt ihn zu sich. Sie blicken auf das bunte Gewusel
einer beliebten Einkaufsstraße hinunter.
„Dort ist sie, bei der
Akazie.“
„Wer?“
„Die Vermieterin.“
„Aber die ist doch schwarz.“
Sie nickt.
Komisch. Schwarze kennt er eher als Sozialhilfe-Empfänger, denn
als Vermieter. Und noch etwas irritiert ihn. Die schwarze Frau dort unten sieht
seiner Bekannten, Heidi, sehr ähnlich. Er hat Heidi immer für den Inbegriff
einer Einheimischen gehalten. Von ihrer Gestalt und ihrem Wesen her erinnert sie
ihn an ein Freiberger Pferd. Eines jener kräftigen Zugpferde, mit breitem Kopf,
stämmigen Beinen und den typischen Haarbüscheln hinter jedem Fuß. Bieder,
gradlinig, von nicht zu dämpfender Schaffenskraft.
Die Frau, die er da unten sieht, ist wie Heidi, aber sie ist
schwarz. Es ist ihm, wie wenn er von einem zweiteiligen Katalog zum ersten Mal
die andere Hälfte aufgeschlagen hätte.
„Ist wohl am besten, wenn ich um einen Termin bei ihr bitte und
mal mit ihr spreche, finden Sie nicht?“
Die Vermieterin macht einen überraschten Eindruck. „Kennen Sie
sich aus im Wald?“, fragt sie.
„Im Wald? Warum? Wohnt sie im Wald?“
Sie nickt. „Ja, ihre Siedlung ist im Wald.“
Jasmus fragt nicht weiter. Das sind etwas zu viele Neuigkeiten, die
da auf ihn einstürmen, hat er plötzlich den Eindruck. Vielleicht sollte er doch
erst mal den Mietvertrag lesen, vor allem das Kleingedruckte. Wenn er das nur
nicht so hassen würde. MLF
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