Mittwoch, 11. Juli 2012

83 Der Stichtag steht bevor

Es hätte so viele Möglichkeiten der Zusammenarbeit gegeben. Aber in der Schulwerkstatt hatte sich Eugen Nuschel breitgemacht. Mit diesem fahrigen, besserwisserischen Hansdampf in allen Gassen war eine sinnvolle Arbeit unmöglich. Boku konnte nicht mehr in die Werkstatt, weil er auf Eugen allergisch war. Umso deutlicher spürte er, wie der Stichtag näher rückte.
Als er über das Feld zur Siedlung lief, machte er eine erfreuliche Entdeckung. Mitten im Freien stand ein offener Pavillon. An einem Tisch, wie ihn die Vermesser benützen, saß ein Junge. Er war konzentriert über die Arbeit gebeugt. Boku spürte förmlich, wie diese ihm Spaß machte. Es gibt also doch noch jemand, der sich einsetzt, auch wenn es nur ein Junge ist, aber immerhin, dachte er.
Er lief weiter zur Siedlung. Bei den ersten Häusern kamen schon die anderen und überbrachten ihre tollen Geschenke. Komplexe räumliche Gebilde aus Fäden mit daran befestigten Schmuckstücken. Vom mittleren Punkt liefen die Fäden strahlenförmig, schräg abwärts auseinander, dann senkrecht nach unten zwei, drei Spannen lang, um wieder zur Mitte zurück zu laufen. An jedem Faden waren im Abstand von wenigen Zentimetern Kostbarkeiten befestigt. Dadurch entstand ein geheimnisvolles Gebilde von räumlicher Tiefe. Er wollte auch so etwas schaffen und es ihnen schenken. Dazu aber musste er erst mit den Seinen reden.
Er traf sie an bei Tisch. Die ganze Familie an einer langen U-förmigen Tafel. Wie in solchen Fällen üblich, hatte die Schwägerin das Sagen. Sie war eine imposante Person. Er wandte sich direkt an sie.
„Der Stichtag rückt näher und wir haben noch immer nichts fertiggestellt. Nichts als ein Haufen von Einzelteilen. Eugen hat sich in der Schulwerkstatt breit gemacht und schaut, wen er mit seinen Binsenweisheiten belehren kann.“ Er bemerkte, dass er ins Leere redete, fuhr aber fort. „Es wird Zeit, dass wir uns zusammentun und schauen, was wir aus unserer Fülle von Material erschaffen können.“
„Merwin ist seit zwei Tagen nicht da!“, entgegnete sie, als gebe es gemessen daran nichts Wichtiges. Ihr Sohn, sie hatte nichts als ihren Sohn im Auge. Dabei war Merwin längst ausgewachsen. Merwin präsentierte die neuen Einzelteile. Einzelteile aber hatten sie genug. Es bedurfte gar keiner neuen mehr. Aber wie sollte er ihr das klar machen? Ihr Sinn war immer auf ihre Kinder gerichtet, dass die gut dastanden. Sie hatte überhaupt keinen Blick fürs Ganze. MLF

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