…
Einen Tag vor Bekanntgabe der
Preisträger sah er von draußen zu, wie die Vorbereitungen für den festlichen
Akt getroffen wurden. Dabei bemerkte er, dass es graduell dunkler wurde. Eine
dünne Wolke hatte sich vor die Sonne geschoben. Er konnte auf die leuchtende Scheibe
am südwestlichen Himmel schauen, ohne geblendet zu werden. Da sah er etwas ganz
Ungewöhnliches – neben der Sonne war eine Sanduhr.
„Bei der Sonne ist eine Sanduhr“,
rief er den Anwesenden zu. Manche drehten sich um, aber niemand drückte sein Erstaunen
aus. Tommy schaute noch genauer hin und da sah er, dass unweit der Sanduhr die
ganze Modellstadt, die sie als Gedankenarbeiter geschaffen hatten, dort oben
stand, säuberlich angeordnet. Jella hatte also ihr gemeinsames Gedankenprojekt
hochgesandt. Von ihm aus gesehen lag sie unterhalb der Sonne. Wenn die
Modellstadt bei dieser Entfernung so deutlich zu sehen war, so bedeutete das,
dass sie zu voller Größe angewachsen war. Dies verstand er als ein gutes Omen.
Manche Häuserreihen wirkten zwar etwas papieren, aber mit gutem Willen konnte er
darin klar die Wirklichkeit gewordenen Vorsätze erkennen. Wie er die Häuser
dort oben sah, war er doch beeindruckt, was diese Gruppe geleistet hatte.
Die Andern reagierten nicht. Ob
sie die Stadt nicht erkannten oder ihre Bedeutung nicht begriffen? Er ging
weiter. Blieb aber schon bald wieder stehen. Er konnte sich nicht sattsehen, an
diesem fantastischen Gebilde. Doch jetzt fiel ihm noch etwas anderes auf. Ein
großer weißer Wagen fuhr auf diese Stadt zu. Er schien fast zu groß für die
Straßen. Tommy hatte kein gutes Gefühl dabei. Seitlich und in der Front waren
drei schwarze Profile eingelassen, die vorne herausragten. Der große weiße
Wagen mit den schwarzen Ausbeulungen fuhr direkt in die Stadt hinein, ohne
Rücksicht auf Verluste.
„Halt!“, schrie er unwillkürlich.
Er dachte an all den Fleiß und die Liebe, die Jella und ihre Mitstreiter darauf
verwendet hatten. Aber sein Aufschrei half nichts. Er musste zusehen, wie ganze
Häuserreihen weggeschoben wurden. Das Gebäude mit seiner neuen Wohnung stürzte
ein. Eingreifen konnte er nicht. Niemand von da unten.
Aber er fasste den Entschluss den
Wagen wenigstens zu fotografieren. Jella und ihre Gruppe mussten wissen, was da
vorgegangen war. Sie hatten in ihrem Eifer wohl nicht bedacht, dass etwas, das
jemand in Gedanken erschuf, von anderen wieder zerstört werden konnte. Das
wollte er ihnen anhand eines Bildes beweisen. Seinen Apparat hatte er jedoch
zuhause gelassen. Bis er diesen geholt hätte, wäre die Stadt schon längst
zerstört und der Wagen wieder verschwunden. In seiner Nähe hielten sich zwei
junge Frauen auf, Kunsttherapeutinnen. Die eine hatte eine Kamera umhängen. Er
wies nach oben, bat, drängte sie, ein Bild zu machen. „Ich brauche ein Zeugnis“,
rief er eindringlich.
Widerwillig zeigte sie sich
schließlich bereit. Sie hob den Bändel über die Schulter, entfernte den
Linsenschutz, drehte die Entfernung auf die liegende Acht, stellte Lichtempfindlichkeit
und Brennweite ein. Aber just, als sie die Kamera anhob, stand plötzlich eine
trennende Nebelwand vor ihnen und zwar nicht waagrecht, sondern aufrecht vom
Boden hoch wie eine Wand. Bei genauerem Hinsehen waren es sogar zwei
Nebelschichten mit lichtem Zwischenraum innerhalb. Tommy hatte sowas überhaupt
noch nie gesehen. Er trat in die erste Schicht, passierte sie und blieb
zwischen den beiden Wänden kurz stehen. Dann drang er durch die zweite Schicht.
Aber bis er drüben war, breitete sich dahinter dichter Nebel aus. MLF
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