Manchmal
erschien mir der Geschlechtsakt mit Mili mehr wie ein Kraftakt, als wie ein
Liebesakt. Aber gerade dann waren wir uns danach besonders verbunden. Genau so
war es in dieser Nacht.
Schließlich löste sie sich
von mir, setzte sich auf und erzählte mir, während ich die Hand auf ihre Brüste
legte, von Erduan, der in Irkutsk… AS
Im Gebäude der Volkshochschule am Rande
von Irkutsk hatte Erduan Gelegenheit das Möbel zu fertigen, das er einer
internationalen Firma in Aussicht gestellt und an dem sie Interesse gezeigt
hatten. Das Gebäude war nur ein einfacher Schuppen und bis auf einen kleinen
Holzofen, in dem sie Holzabfälle verbrannten, gab es keine Heizquelle. Aber zum
Arbeiten ging’s. Die anderen waren deutlich jünger als er, Jungs und Mädels
gemischt. Er was so mit seinem Projekt beschäftigt, dass er kaum mitkriegte,
was sie herstellten. Jedenfalls nichts, was sein Interesse besonders erregt
hätte. Da er das Möbel über die Grenze nach China mitnehmen wollte, fertigte er
nur die Einzelteile. Selbst die Schubladen beließ er in Teilen. Gerade so wie
man ein Möbel aus einem IKEA Lager erhält. Das Deckblatt war das Sperrigste vom
Ganzen. Schließlich baute er aus leichtem Holz eine aufrechte Kiste, die just
das Tischblatt umfasste und in der Tiefe genug Platz für die restlichen
Bauteile bot.
Am Tag der Abreise brachte er es zur Bahnstation. Es würde im
gleichen Zug, in einem angehängten Wagen transportiert werden.
„An der Grenze müssen Sie zum entsprechenden Wagen gehen“, teilte
der Beamte ihm mit.
Als sie hinter Wladiwostok an die Grenze kamen, wurde er mit den
anderen Reisenden geweckt. Es war mitten in der Nacht. Noch etwas benommen vom
Schlaf ging er nach draußen. In weiser Voraussicht hatte er die Kiste mit
aufklappbarem Deckel gefertigt. Der Zöllner schaute die Teile mit der
Taschenlampe an. Erduan stellte die Form des fertigen Möbels mit den Händen
dar. Der Beamte schien begriffen zu haben und überreichte ihm einen Zettel, auf
dem die Gebühr stand. Nachdem er bezahlt hatte, wurde der Kiste ein Pack von
vier Äpfeln, in Folie verschweißt, beigefügt. Dem Gesicht des Zöllners entnahm Erduan,
dass damit alles seine Richtigkeit hatte.
In der chinesischen Stadt, in der er die folgenden Jahre zu leben
sich vorgenommen hatte, baute er das Möbel zusammen und brachte es zur
internationalen Firma, für die er diesen Prototypen geschaffen hatte. Es war
üblich, dass er einen ersten Betrag erhielt und dann Prozente auf die
verkauften Stückzahlen. Ihm gefiel das Pult sehr gut, wie es dastand. Ein
Schreibtisch mit mehreren Schubladen, bestechend durch seine schräge Form und
den gedämpften Gelbton, den er durch eine besondere Beize erreicht hatte.
Der Handelsmann schaute das Möbel an. Aber statt mit ihm in
Verhandlung zu treten, öffnete er die Tür und schob es aus dem Laden. Das Möbel
rutschte die abfallende Gasse hinunter und unten direkt in eine Halle hinein.
Den Herrn verwundert anschauend, erhielt er zur Antwort: „Die
wissen da unten, was damit zu tun ist.“
Er war zu verblüfft, um darauf zu reagieren. Der Händler fragte
nach seiner Adresse und versicherte sich, dass die Daten auf seinem Bildschirm
mit den genannten übereinstimmten. Dann sagte er, „man wird sich in den
nächsten Tagen bei Ihnen melden.“
Erduan verabschiedete sich. Er war so verunsichert, dass er nicht
wagte, den Kaufmann auf den Vorschuss anzusprechen.
Unten, am Fuß des steilen Viertels, wurde ihm die Sache erst
klar. Es handelte sich um die Halle einer Müllverwertungsfirma. Er schaute sich
um, aber sein Prototyp war nirgends mehr zu sehen. Mit düsterer Ahnung sah er
voraus, was die Meldung in den nächsten Tagen sein würde.
Hatte er sich nicht entschieden, eine Weile in China zu leben? Da
bot sich ihm doch die ideale Gelegenheit, das Lächeln in jeder Situation zu
üben, mochte die Lage noch so aussichtslos sein. MLF
…
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