Wie es auf einer Ausgrabungsstätte vor lauter Gold zum Mangel an
Pflastersteinen kam.
Wie Tonke für zwei Puppen ein Nest baute und dabei entdeckte,
dass sie nachts durch den Luftraum flogen.
An der Größe gemessen war die Ausgrabungsstätte durchaus mit der
Akropolis zu vergleichen. Aber das Gelände war nicht so steil wie der
Tempelberg Athens. Es handelte sich um eine der weniger bekannten, antiken
Tempelstätten. Die Grabungsarbeiten standen unter dem Patronat der Astoria-Bewegung.
Diese Gemeinschaft fand großes Interesse an den vergessenen Zentren. Sie nannten
diese Tempel Mysterienstätten, aufgrund des geheimen Wissens, das dort gehütet
worden war.
Das Gelände war übersät mit Mauerresten und Säulenstumpen. Manche
Tempelgebäude waren rekonstruiert worden. Einige Plätze und Wege sollten noch
gepflastert werden. Dabei tat sich ein unerwarteter Engpass auf. Gewisse Teile
gab es im Überfluss, andere dagegen, die dringend benötigt wurden, fehlten. So
gab es einen großen Haufen mit goldenen Pflastersteinen. Aber es waren kaum
noch granitene da. Die meisten der reichen Sponsoren hatten zur Auflage
gemacht, dass ihr Geld ausschließlich in Goldgegenstände investiert würde. Als
Bewunderer, der in den Tempelschulen gelehrten Weisheit und Hellsichtigkeit,
hielten sie nur dieses kostbarste aller Edelmetalle für angemessen. Dabei
hatten sie ihre Geldbörsen nicht geschont.
Auf der Ausgrabungsstätte fehlten aber die granitenen
Pflastersteine. Man konnte vielleicht den Boden eines Tempelraumes mit Gold
pflastern oder da und dort zum Schmuck einen goldenen Stein einsetzen. Aber
unmöglich konnte man einen öffentlichen Platz mit goldenen Pflastersteinen auslegen.
Niemand würde eine solche Rekonstruktion noch ernst nehmen.
Auch die arabischen Händler, die auf der Baustelle sich
aufhielten, klagten über den Mangel an Granitsteinen. Tonke nahm die Arbeit auf
sich, den ganzen Haufen durchzusehen. In mühsamer Arbeit setzte er den ganzen
Berg von Pflastersteinen um. Er fand gerade noch zwei Stücke aus Granit
darunter. Davon war das eine gebrochen. Also waren es genau genommen nur
anderthalb. Damit lohnte es sich wohl kaum an die Arbeit zu gehen. Er ging
deshalb zu den Verantwortlichen.
Bei der Grabungsstätte handelte es sich – wie gesagt - um ein Projekt
der Astorianer. Wie die Wissenschaftler, so hielten auch die Mitglieder dieser
Bewegung die Gedankenkraft des Menschen für dessen vorrangigste Begabung. Sie glaubten
aber, dass der Verstand durch verborgenes Wissen, wie es in den antiken
Einweihungsstätten gelehrt worden war, bereichert werden müsse. Sie setzten
sich deshalb mehr als die öffentlichen Institute für die Rekonstruktion
besonderer Tempel ein, die sie Mysterienstätten nannten.
Er fand sich in einem einfachen, kühlen Raum mit altertümlichen
Möbeln. Der leitende Astorianer war ein freundlicher, älterer Mann mit einer
ernsten Stirn und dichten, noch immer mehrheitlich dunklen Haaren. Sein Gesicht
wirkte ungewöhnlich wach, fast transparent. Ein Ausdruck, der Tonke an
Astorianern schon oft bemerkt hatte. Vielleicht ist ein solches Gesicht gemeint,
wenn man von einem durchgeistigten Menschen spricht, sagte er sich.
Tonke nahm auf einem der
sonderbar geformten Stühle Platz und begann nach ein paar Worten über die
drückende Hitze draußen sein Problem zu schildern. „Es gilt jetzt die Plätze
und die Wege zu pflastern, auf denen die Menschen damals gegangen sind. Unsere
Spender haben uns reichlich mit Pflastersteinen versorgt, aber sie sind alle
aus Gold. Wir können doch nicht einen Weg, über den früher die Ochsenkarren gerollt
sind, mit Gold auslegen.“ Er hielt kurz inne, um seine Mitteilung wirken zu
lassen. Dann schlug er vor, man möge einen Teil des Goldes dazu verwenden, um
ausreichend granitene Pflastersteine zu kaufen.
Auf diesen letzten Satz reagierte der Astorianer bestürzt. „Oh,
nein, bitte nicht“, bat er fast flehentlich. „Wenn das die Spender erfahren.“ Er
versprach dafür zu sorgen, dass sie schon am folgenden Tag einen Lastwagen voll
gewöhnlicher Pflastersteine kriegen würden. Die goldenen Steine solle Tonke aufheben.
Es gebe ja noch viele weitere Mysterienstätten zu entdecken, bei denen das Gold
dann gewiss Verwendung fände.
Tonke war beruhigt. Er stand auf und wollte sich gerade
verabschieden, da wurde er auf etwas aufmerksam.
…
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen