Montag, 4. Februar 2013

144 Verkehrsmuseum – Gespann mit Segeln


Auf der Suche nach seinem Auto traf Tonke beim Verkehrsmuseum auf einen Mann, der im Auftrag des Vaters erforschte, was seine Kinder machen.

Tonke hatte sich vorgenommen, die beiden Parteien, mit denen er in seinem Wohnviertel befreundet war, ein Künstlerpaar, Mann und Frau und einen jungen, homben Mann mit nach Home zu nehmen. Er hatte seit langem versprochen, ihnen zu zeigen, wo er herstammte. Erst nach und nach war ihm die Bedeutung von Home als dem Ursprung seines Koordinatensystems bewusst geworden. All sein Handeln stand im Bezug darauf. Deshalb wollte er sie dorthin fahren. Aber die Suche seines Autos führte ihn auf eine unerwartete Odyssee.
Tonke befand sich am Bahnhof in der Reußstadt. Er war einige Zeit verreist gewesen. Auf dem Heimweg hatte er sich entschlossen, seinen Vorsatz, dem Paar und dem jungen Mann Home zu zeigen, jetzt in die Tat umzusetzen. Er hatte sie angerufen und ihnen gesagt.
„Ich muss nur ans Auto kommen, dann hol ich euch ab.“ Das hatte er versprochen.
Wie er jetzt am Bahnhof stand, an der Stelle, wo der See in die Reuß mündete, vermutete er, dass sich sein Auto beim Schwanenplatz befand. Er überquerte die Brücke, kam zum besagten Platz und überlegte: Wo könnte ich es abgestellt haben. Er suchte sein Auto immer so, dass er an einen Ort ging, den er sich gemerkt hatte und kurze Zeit drauf stand er bei seinem Wagen. Aber dieses Mal stellte sich keine Erinnerung ein. Das verunsicherte ihn so sehr, dass er ganz außer sich geriet. Als er eine Bekannte traf, klagte er ihr sein Missgeschick.
„Ich finde mein Auto nicht. Ich weiß nicht, wo ich es abgestellt habe.“
Sie beruhigte ihn. „Das ist doch nicht so schlimm, lass uns Kaffee trinken und plaudern, dann wird dir schon wieder einfallen, wo dein Auto steht.“
Tonke war aber zu unruhig, um sich auf dieses Angebot einzulassen. Jahrelang hatte er sich von Frauen ablenken lassen, solange bis er Gewissheit erlangt hatte, dass eine hombe Beziehung für ihn das Richtige war. Diesen Fehler wollte er nicht wiederholen. Also entschuldigte er sich und ging weiter.
Ein zweites Mal und noch ein drittes Mal traf er auf eine Frau, die eine blond, die andere brünett und jede hätte gerne mit ihm Kaffee getrunken und geplaudert. Er erklärte aber, dass er seinen Wagen suche und ließ sie enttäuscht zurück.
Er lief einfach weiter, irgendwann musste er ja auf sein Auto stoßen. Stadtauswärts ging er durch die Halde dem See entlang. Dort am Boule-Platz traf er auf seinen Kumpel, Andrin. Auch der hatte Programm für ihn. Die Clique lud Tonke zum Mitspielen ein. Anschließend sollte er mit ihnen in die Gaststätte in der Grabenstraße gehen. Er schaute eine Weile zu, dann entschuldigte er sich. „Tut mir leid, ich muss weiter. Ich glaube, ich weiß jetzt, wo mein Wagen steckt.“
Ungern ließen sie ihn ziehen.

Er vermutete, dass er seinen Wagen beim Verkehrsmuseum abgestellt hatte.
Als er dort ankam, sah er, dass das Verkehrsmuseum im Umbau begriffen war. Das Gelände war offen zugänglich, aber es herrschte eine große Unordnung. Quadersteine und liegende Säulen lagen zerstreut wie in einem Ruinenfeld. Ein Mann saß auf einem der Brocken. Ihn wollte er nach seinem Wagen fragen. Der war aber vornübergebeugt so ins Grübeln vertieft, dass er von Tonke keine Notiz nahm. Der desolate Zustand des Museums schien ihn in einen lähmenden Trübsinn gestürzt zu haben. Eine schmale Pergola überspannte einen Teil des Geländes. Da der Boden von Gegenständen überstellt war, nutzte Tonke die Leitersprossen der Pergola und überquerte ihn, indem er sich von Sprosse zu Sprosse hangelte. Aber an einer Stelle war die Pergola unterbrochen. Noch hängend sah er sich um.
Da entdeckte er, dass an das Gelände ein langgestreckter Tunnelraum anschloss, der durch ein Gitter versperrt war. Dahinter waren Autos geparkt. Da vermutete er, dass er seinen Wagen dort drüben finden würde. Er schaute nochmal auf den lang gespannten Tunnel, der Form nach der Unterseite einer Brücke gleichend und sah, dass der Durchgang komplett mit Gittern verriegelt war. Er verinnerlichte sich dieses Bild und sprang hinunter.
Tonke überquerte auf einem gewundenen Weg den untertunnelten Hügel und näherte sich nun dem Platz dahinter. Ihm fiel sofort auf, dass sich hier eine bestimmte Art von Menschen aufhielt. An ihren besonderen Frisuren und Kleidern waren sie als Hombe zu erkennen. Manche stachen besonders heraus. Er vermutete, dass es sich um Transvestiten handelte. Tonke hatte einen Aktionstag getroffen, an dem man mit Kundgebungen und Vorführungen die Forderung unterstrich, dass Hombe in den gesellschaftlichen Kanon aufgenommen wurden. Laut und fröhlich ging es zu, wenn auch nicht so ausgefallen wie bei einem Christopher Street Day oder auf einer Love Parade.
Unter den geparkten Wagen fand Tonke sein Auto. Das stimmte ihn glücklich und er wollte auch etwas zu dieser Veranstaltung beitragen. Er öffnete den Kofferraum und holte die Geschenke hervor, die er für besondere Momente dabei hatte. Das eine waren Handschmeichler aus dunklem Holz. Sie hatten in der Mitte ein ‚Auge‘, eine Vertiefung, in die er etwas Karamell oder Schokopudding gestrichen hatte. Das Interesse hielt sich in Grenzen. Das mochte auch daran liegen, dass er sie nicht sorgfältig genug geschliffen hatte. Wodurch sie für Handschmeichler zu rau waren. Da ging er nochmal zum Auto und holte aus einer Schachtel schön verzierte Stockbetten, von der Größe von Puppenbetten. Die fanden im Gegensatz zu den Handschmeichlern großen Anklang. Im Nu war das Dutzend, das er dabei hatte, verteilt.
Eine Performance wurde angekündigt, mit der ein Künstler für die Aufnahme der Homben in den Kanon der Gesellschaft warb. Die Aktion fand am Ufer zwischen Verkehrsmuseum und dem Lido statt. Er führte ein Gespann von dreiecksförmigen Schlitten oder Wagen. Über jeden von ihnen war oben ein sichelmondförmiges Segel gewölbt.[1] Mit Schnüren lenkte er sie. Wer ihn fragte, was diese Aktion bedeute, erhielt zur Antwort.
„Ich bin der Mystiker des Vaters. Er erkundet, was die Kinder machen“. MLF


[1] Es sind darin die Möndchen des Hippokrates zu erkennen. Geschichte 132B vom 24.12.12

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