Für ihre Hochzeit hatten Elisabeth und Beat einen ungewöhnlichen
Ort gewählt. Die Tische standen im Grünstreifen neben der abfallenden Straße,
die am Hang die parallelen Sträßchen des Viertels in die größere Straße nach
unten führte. Zu ihrem Fest waren die Gäste zahlreich erschienen. Elisabeth,
die hübsche Braut, kümmerte sich um alle. Ihre schon fortgeschrittene
Schwangerschaft schien sie dabei nicht einzuschränken. Beat Amwald wirkte neben
ihr eher wie ein Begleiter und Beschützer, als wie der Geliebte und Ehemann. Er
stand immer einen Schritt hinter ihr und achtete auf alle ihre Bewegungen. Der
Zufall ergab, dass Wendy mit ihnen alleine an einen Tisch zu sitzen kam. Er
wollte die Gelegenheit nutzen, um ein paar Worte zu seinem Mitbringsel – den
neusten von ihm übersetzten Geschichten – zu sagen. Aber er hatte erst ein Wort
über die Lippen gebracht, da platzte die Braut schon heraus.
„Ich kann es nicht mehr hören. Immer dein wirres Zeug, das kein
Mensch versteht. Du stößt alle vor den Kopf.“
Sie stand auf und stampfte, Beat mit sich ziehend, davon.
Wendy fürchtete, das Fest verdorben zu haben. Aber kurze Zeit
später sah er die Braut, sich mit anderen unterhalten, als sei nichts gewesen.
Das liegt daran, dass sie in Erwartung ist, sagte er sich. Schwangere Frauen
reagieren oft völlig unberechenbar. Ja, das war’s dann wohl mit unserer
Freundschaft, dachte er wehmütig.
Er ging die Straße nach unten, wo sich in der ebenen Straße viele
der Gäste aufhielten. Seine Freude am geselligen Austausch war erloschen.
Unbeteiligt stand er zwischen den größeren und kleineren Gruppen, in denen man
sich angeregt unterhielt.
Plötzlich stand Elisabeth vor ihm. Er hatte gar nicht bemerkt,
dass sie nach unten gekommen war. Vorher hatte er einen spontanen Ausbruch
erlebt. Jetzt ging sie ganz gezielt gegen ihn vor. Sie rief, so laut, dass es
alle Gäste hören mussten.
„Millionen, Milliarden willst du damit gewinnen! Das ist lachhaft.
Es ist eine Schande, was du treibst. Wo ist da die Realität? Du bist total
verblendet.“
Dass sie so offen gegen ihn vorging, stellte den Konflikt auf
eine sachlichere Ebene. Emotional war er dieses Mal nicht so hart getroffen. Im
lag auf der Zunge zu sagen. Immerhin bin ich bereit Opfer dafür zu erbringen.
Ich lebe von hundert Euro im Monat. Aber er sagte nichts. Er fürchtete, ein
einziges Wort von ihm könnte die Feier zum Platzen bringen, so gespannt wirkte
die Braut.
Wendy spürte teils vorwurfsvolle, teils fragende Blicke auf sich.
Wahrscheinlich hatte niemand verstanden, um was es zwischen ihnen ging. Er
selbst begriff ja nicht ganz, was sie so zornig machte. Er wollte sich nicht äußern
und mied den Blickkontakt zu den anderen Gästen. Von da an stand er ganz am
Rand.
Zum Abschluss des Festes versammelten sich die Gäste nochmal ganz
oben in der ansteigenden Straße. Wendy hatte sich noch ein Ei ergattert und es
geschält. Er suchte nach Salz, um es zu bestreuen. Dabei öffnete er
versehentlich die oberste Schublade ihres Nachttischchens – ein Hochzeitsgeschenk,
das sie präsentierten. Sein Buch lag gleich zweimal darin. Er überlegte, ob er
es in die unterste Schublade ganz nach hinten stecken sollte. Damit es für eine
Weile aus ihrem Blick war. Aber er beließ es, wo es war.
Elisabeth kam her und fragte ihn:
„Was ist ein lokaler
Mittwoch?“
Also hatte sie doch in seinem Buch gelesen. Wie konnte sie ihn
derart angreifen und dann kommen und ihm eine Frage stellen. Trotzdem
antwortete er ruhig.
„Ich denke, ein Mittwoch, der an einem bestimmten Ort besonders
begangen wird. So hab ich es mir zumindest überlegt, als ich die Stelle
übersetzte.“
Amwald, der näher getreten war, stimmte ihm zu. So habe er es
auch verstanden. MLF
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