Montag, 4. Juni 2012

61 Modellstadt zerstört i

Ein wichtiger Termin stand bevor. Toni war unruhig. Er wälzte sich im Bett und konnte nicht richtig schlafen. Wie würde die Entscheidung ausfallen? Es hing viel davon ab für Mili und ihn. Seit er den Installateur-Beruf aufgegeben hatte – weil er Mili im stillgelegten Schwimmbad des Grand Hotels begegnet war – hatte er kein Geld mehr verdient. Er stand mit drei Monatsmieten in Verzug. Gas und Wasser waren schon abgestellt worden. Nur das Telefon und der Computer, auf dem er Milis Blog schrieb, funktionierten noch. Als hielte beim Kommunikationsserver jemand schützend die Hand über ihnen. Weil er für Kunst hielt, was er betrieb, hatte er eine entsprechende Förderung beantragt, um Mili ihren Wunsch, einen Blog zu haben, noch eine Weile erfüllen zu können. Drei Monate waren seit dem Antrag vergangen, jetzt würde die endgültige Entscheidung fallen.
Mit Mili konnte er darüber nicht sprechen. Sie lebte in einer anderen Welt. Für sie war es wichtig, dass sie schwimmen konnte. Womöglich zog sie ihre Nahrung sogar aus dem Wasser. Anders konnte er sich nicht erklären, wie sie ihre schönen Rundungen behielt, während er sich zunehmen auszehrte. Obwohl er mit ihr nicht über das Förderungsgeld gesprochen hatte, schien sie doch davon zu wissen. Er las dies aus ihren Geschichten, die seine Hoffnungen mal weckten und dann wieder dämpften. Als Kermit in Freiburg einen Korb gereicht bekommen hatte, waren seine Hoffnungen deutlich geschrumpft. [54, Ans Basket-Brett gelehnt] Wenn er mit jemandem sonst darüber sprach, wurde er meistens ermuntert: Du musst nur daran glauben, dann wirst du die Unterstützung bestimmt kriegen.
Mitten im Grübeln schlüpfte Mili zu ihm. Er hätte sie am liebsten nur gehalten. Aber das war nicht nach ihrer Art. So ließ er sich auf ein erregendes Spiel ein, von dem er fürchtete, es könnte das letzte dieser Art sein.
Danach richtete sich Mili hoch und erzählte die folgende Geschichte. AS

Jella leitete einen Kurs, ‚Gedanken schaffen Wirklichkeit‘. Alles was wir uns wünschen, können wir mit unseren Gedanken erschaffen. Gedanken sind Energie. Wenn wir an sie glauben, werden sie schöpferisch wirksam. Tommy fand es wunderlich, wie sehr sie – die sonst eine so praktische Frau war – und ihre Gruppe sich in diese für ihn schon fast magisch anmutenden Übungen hineinsteigerten. Er war eher gewohnt, die Dinge zu nehmen, wie sie waren und sie nicht eigenmächtig ändern zu wollen. Trotzdem nahm er auf ihr Drängen an einem Kurs teil. Da sie so viel für ihn tat, wollte er, wo er konnte, ihr entgegenkommen.
Als man in der Gruppe nach einem anspruchsvollen Ziel suchte, das wert sei, durch Gedanken realisiert zu werden, schlug Jella vor, man möge Tommy in Gedanken unterstützen, dass seine Firma den Förderpreis für junge Unternehmen kriege und so endlich etwas an ihre freiwilligen Mitarbeiter auszahlen konnte. Die Gruppe war einverstanden. Tommy hatte ein paar Fakten mitzuteilen. Wann sich die Firma beworben hatte, wie hoch das zu erwartende Preisgeld sei und wie das Geld verteilt werden solle. Die Antwort war, vor drei Monaten, fünfzig Tausend, die Mitarbeiter würden, wenn es tatsächlich eintraf, je vier Tausend kriegen. Für die bisher geleisteten Stunden ein Klacks, aber als einmaliger Betrag doch eine große Erleichterung für jeden der Beteiligten.
Jetzt begann die Arbeit der Gruppe. Gemeinsam ging man daran die Realisierung in Gedanken umzusetzen. „Es darf kein Zweifel aufkommen. Wir stellen es uns vor. So wird es sein“, betonte Jella als Leiterin des Kurses. Als erstes waren die Feierlichkeiten zu beschreiben mit der Preisübergabe. Tommy bat, dass jemand anderes seine Rolle übernahm. Es fanden sich sofort Bereitwillige und die Feier wurde minutiös durchgespielt und das Preisgeld entgegengenommen. Dann wurde die Stadt als Modellstadt in der Vorstellung beschrieben. Man suchte für ihn eine Wohnung. Nur eine Einzimmerwohnung, aber mit moderner Küche, Dusche und einem kleinen Balkon. Jemand ging in Tommys Rolle in einen Kleiderladen und deckte sich mit verschiedenen Kleidungsstücken ein. Jella sagte dazwischen immer wieder:
„Es darf kein Zweifel aufkommen. So wie wir es uns vorstellen, wird es sein.“
Jemand anderes ging für ihn in den Fahrradladen und kaufte eine aufsteckbare Lampe, die ihm bisher gefehlt hatte. Man ließ es Abend werden und ‚Tommy‘ ging in die Gaststätte, bestellte für sich und Jella – die er zum Dank, dass sie ihn all die Jahre beherbergt hatte, zu einem reichlichen Mal einlud. „Wie wunderbar, ich weiß gar nicht, wann ich zum letzten mal auswärts gegessen habe“, sagte ‚Tommy‘ und bestellte noch einen Nachtisch.
Nur wenn jemand aus der Gruppe ein Auto für ihn kaufen wollte, erhob Tommy Einspruch. „Du musst es nur visualisieren, dann kriegst du’s“, sagte eine besonders eifrige Teilnehmerin.
„Dafür reicht es definitiv nicht“, lautete sein Veto.
Die Gedankenstadt nahm Form an. Es war eine Freude sich in ihr zu bewegen, aus der bisherigen Enge sich in diese großzügige Stadt hinein zu begeben. Die Schüler hatten mit Jella ganze Arbeit geleistet. Fast nie hatte sich jemand versprochen und Zweifel aufkommen lassen. Sie hatten jetzt alle eine exakte Vorstellung von den Veränderungen nach der Preisverleihung. MLF

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