Mitten in der Nacht wachte er auf. Im Halbdunkel erkannte er
Mili. Toni zog sie an sich. Sie vereinigten sich in der Liebe. Anschließend
erzählte sie ihre Geschichte. AS
Die Requisiten, die während der Stücke
zum Einsatz kamen, waren auf dem einen Wagen gestapelt, das Bett, die farbigen Teppiche
und Tücher lagen auf dem anderen. Mit diesen beiden Anhängern im Schlepptau
fuhr er nach Freiburg, um beim dortigen Künstlerverband um Unterstützung für
Tristan Kampermann und seine Truppe zu werben.
Kermit sprach in der Gruppe für niedrige Preise. Vor allem wenn
Kinder zur Aufführung kamen oder ihre Eltern. Tristan blieb hart. „Eltern
kriegen Kindergeld. Sowas wie Künstlergeld dagegen gibt es nicht.“
Gibt es wohl, konterte Kermit. Künstler werden gesponsert. Sie müssen
nur einen Antrag stellen.
Tristans Gesicht wirkte noch etwas flacher als es sonst schon
war. Womöglich hatte er selber schon mehrmals versucht, eine Förderung zu
bekommen. „Nur zu, ich werde dich nicht hindern“, sagte Kampermann mit
emotionsloser Stimme. Er nannte ihm ein Wochenende, an dem sie nicht spielten. Worauf
sich Kermit für diese Tage bei der Freiburger Künstlerförderung anmeldete.
Als er am frühen Abend auf dem im Hand-out beschriebenen Platz in
Freiburg ankam, die Wagen abstellte und zum Sekretariat ging, befand er sich
vor dem Jugendhaus Weißenburg. Obwohl es Freitagabend war, war das Jugendhaus
leer. Ein Mann Mitte vierzig mit kurzgeschorenen Haaren und schwarzer, glatter
Lederhose kam und schloss auf. Als Kermit ihm folgen wollte, bemerkte er
barsch. „Wir öffnen erst um neunzehn Uhr.“
„Das Sekretariat des Künstlerverbandes?“, fragte Kermit schnell.
Ein prüfender Blick traf ihn. Dann wies der Mann zu einer Tür im
ersten Stock, zu der eine Außentreppe führte.
Kermit bedankte sich. Er stieg die Stahltreppe hoch und sah sich
vom Gitterrost aus um. Er entdeckte ein kleines Schild und eine Klingel. Auf
sein Drücken hörte er eine freundliche Stimme. „Ich komme!“
Die Türe öffnete sich und eine hübsche Frau um die dreißig hieß
ihn willkommen. „Sie sind gewiss …“
Kermit nickte.
Um einem eventuellen Missverständnis vorzubeugen, fragte er. „Denken
Sie, dass ich überhaupt einen Antrag stellen kann? Dies ist ja ein Jugendhaus.“
„Unsere Förderung ist altersunabhängig“, sagte die Sekretärin mit
ruhiger Stimme. Sie bot ihm einen Platz an und fragte ihn, ob er etwas trinken
möchte.
Mit einem Glas Wasser in der Hand beschrieb Kermit das
künstlerische Projekt der Gruppe. Ein Mann und eine Frau lieben sich im Bett.
Je nach Publikum nur angedeutet oder konkret. Dann entfaltet sich das
eigentliche Spiel, bei dem die Frau als Erzählerin mitspielt. Er trat ans
Fenster und wies auf die Wagen auf dem angrenzenden Platz. „Der eine enthält
das Bett, die Teppiche und die Vorhänge“, erklärte er, „der andere die
Requisiten zu den Geschichten.“
„Schön, wir werden ihre Bewerbung prüfen“, sagte sie Sekretärin.
„Verbringen Sie einen Abend in der Stadt. Morgen früh können Sie wieder fahren.
Wir melden uns dann bei Ihnen.“
„Darf ich fragen, bis wann wir Bescheid bekommen werden?“
„Das wird wohl eine Weile dauern. Wir haben viele Anwärter – wie
Sie sich denken können.“ Dann riet sie ihm, er solle seinen Wagen nach der
Prüfung genau anschauen, er werde ein Zeichen finden, das ihm verrate, ob die
Prüfer angetan waren oder nicht. Von diesem Zeichen solle er sich leiten
lassen. „Das ist mein Tipp“, betonte sie und reichte ihm zum Abschied die Hand.
Eine Gruppe von Jugendlichen stand vor dem Jugendhaus Weißenburg.
Drinnen war wenig Betrieb. Der Mann, der ihn so unfreundlich empfangen hatte,
stand hinter der Theke. Vermutlich ein Angestellter der Stadt. Drei Jugendliche
saßen an einem Tisch. Sonst sah er niemanden.
Kermit übernachtete bei Freunden von Tristan Kampermann im
Zentrum Freiburgs. Vom Fenster seines Zimmers sah er direkt auf den Marktplatz.
Schon am frühen Morgen herrschte ein großes Gedränge auf dem Platz. Durch eine
Baustelle war der Zugang verengt und ein Teil des Platzes war gesperrt.
Entsprechend verdichtete sich der Besucherstrom wie das Blut in einer
verstopften Arterie.
Beim Frühstück sprach Kermit zu seinen Gastgebern vom Tipp, den
ihm die Sekretärin gegeben hatte, nach einem Zeichen Ausschau zu halten. Das
stimmte sie neugierig und sie begleiteten ihn zu seinen Wagen. Er musste sich
selber erst umschauen. Die Wagen standen nicht da, wo er sie abgestellt hatte. „Sie
haben sie nach dort drüben bewegt“, sagte er und wies auf die Wagen, die jetzt
deutlich höher geladen waren. „Anscheinend hat man sie abgeladen und neu
aufgestapelt.“
„Das ist ja ein gutes Zeichen“, meinte der Gastgeber. „Das heißt,
sie haben sich die Requisiten auch wirklich angeschaut.“
Kermit schwieg. Was für eine Menge Zeug er geladen hatte, wurde
ihm erst jetzt bewusst, nachdem die Prüfer in ungeschickter Weise alles wieder
aufeinander getürmt hatten.
Kermit verglich die Ladungen mit denen, die er sie gestern
hingestellt hatte, wie man Rätsel-Bilder vergleicht.
„Als erstes fällt mir auf, dass sie die Wagen auseinander
gestellt haben. Das Vorspiel und das Stück scheinen ihnen nicht nah genug
beieinander zu liegen.“
„Das kann ja auch positiv sein, dass sie verschieden sind und die
Aufführung vielseitig machen. Und sonst?“
„Sie sind ziemlich wackelig aufeinander getürmt. Das sagt, dass
es zu viele Szenen sind und ihr Zusammenhang nicht stringent genug ist.“
„Sei nicht so streng mit dir“, beruhigten ihn die beiden.
Erst als Kermit auf den Wagen kletterte, um die Requisiten zu
befestigen, fand er – wie ihm schien – das eindeutige Zeichen, von dem die
Sekretärin gesprochen hatte. Die Gegenstände lehnten oben gegen das
Anschlagbrett eines Basketball-Netzes. Dadurch hing der Korb direkt neben
seinen Requisiten. Konnte es ein deutlicheres Zeichen geben. Er behielt diese
Entdeckung für sich. – Noch etwas fiel ihm auf von oben. Beim Wagen mit der
Ausstattung des Vorspiels hatten sie alle grellen Tücher nach oben gelegt.
Nachdem er die Wagen hintereinander an sein Fahrzeug angehängt
hatte, bedankte er sich bei den Freunden.
Was er meine, wie die Prüfung ausgefallen sei, fragten sie ihn
beim Abschied.
Er wies auf die grellen Stoffe und sagte, dass er dies für kein
gutes Omen halte.
Die Gastgeberin war anderer Meinung. Ihr gefielen die leuchtenden
Stoffe.
Auf der Heimfahrt hatte er kein gutes Gefühl. Er warf sich vor,
der Gruppe mit dieser Fahrt unnötige Kosten bereitet zu haben. Der Korb direkt
neben den Requisiten, das war eindeutig. MLF
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen