Dienstag, 22. Mai 2012

54 Ans Basket-Brett gelehnt

Mitten in der Nacht wachte er auf. Im Halbdunkel erkannte er Mili. Toni zog sie an sich. Sie vereinigten sich in der Liebe. Anschließend erzählte sie ihre Geschichte. AS

Die Requisiten, die während der Stücke zum Einsatz kamen, waren auf dem einen Wagen gestapelt, das Bett, die farbigen Teppiche und Tücher lagen auf dem anderen. Mit diesen beiden Anhängern im Schlepptau fuhr er nach Freiburg, um beim dortigen Künstlerverband um Unterstützung für Tristan Kampermann und seine Truppe zu werben.
Kermit sprach in der Gruppe für niedrige Preise. Vor allem wenn Kinder zur Aufführung kamen oder ihre Eltern. Tristan blieb hart. „Eltern kriegen Kindergeld. Sowas wie Künstlergeld dagegen gibt es nicht.“
Gibt es wohl, konterte Kermit. Künstler werden gesponsert. Sie müssen nur einen Antrag stellen.
Tristans Gesicht wirkte noch etwas flacher als es sonst schon war. Womöglich hatte er selber schon mehrmals versucht, eine Förderung zu bekommen. „Nur zu, ich werde dich nicht hindern“, sagte Kampermann mit emotionsloser Stimme. Er nannte ihm ein Wochenende, an dem sie nicht spielten. Worauf sich Kermit für diese Tage bei der Freiburger Künstlerförderung anmeldete.

Als er am frühen Abend auf dem im Hand-out beschriebenen Platz in Freiburg ankam, die Wagen abstellte und zum Sekretariat ging, befand er sich vor dem Jugendhaus Weißenburg. Obwohl es Freitagabend war, war das Jugendhaus leer. Ein Mann Mitte vierzig mit kurzgeschorenen Haaren und schwarzer, glatter Lederhose kam und schloss auf. Als Kermit ihm folgen wollte, bemerkte er barsch. „Wir öffnen erst um neunzehn Uhr.“
„Das Sekretariat des Künstlerverbandes?“, fragte Kermit schnell.
Ein prüfender Blick traf ihn. Dann wies der Mann zu einer Tür im ersten Stock, zu der eine Außentreppe führte.
Kermit bedankte sich. Er stieg die Stahltreppe hoch und sah sich vom Gitterrost aus um. Er entdeckte ein kleines Schild und eine Klingel. Auf sein Drücken hörte er eine freundliche Stimme. „Ich komme!“
Die Türe öffnete sich und eine hübsche Frau um die dreißig hieß ihn willkommen. „Sie sind gewiss …“
Kermit nickte.
Um einem eventuellen Missverständnis vorzubeugen, fragte er. „Denken Sie, dass ich überhaupt einen Antrag stellen kann? Dies ist ja ein Jugendhaus.“
„Unsere Förderung ist altersunabhängig“, sagte die Sekretärin mit ruhiger Stimme. Sie bot ihm einen Platz an und fragte ihn, ob er etwas trinken möchte.
Mit einem Glas Wasser in der Hand beschrieb Kermit das künstlerische Projekt der Gruppe. Ein Mann und eine Frau lieben sich im Bett. Je nach Publikum nur angedeutet oder konkret. Dann entfaltet sich das eigentliche Spiel, bei dem die Frau als Erzählerin mitspielt. Er trat ans Fenster und wies auf die Wagen auf dem angrenzenden Platz. „Der eine enthält das Bett, die Teppiche und die Vorhänge“, erklärte er, „der andere die Requisiten zu den Geschichten.“
„Schön, wir werden ihre Bewerbung prüfen“, sagte sie Sekretärin. „Verbringen Sie einen Abend in der Stadt. Morgen früh können Sie wieder fahren. Wir melden uns dann bei Ihnen.“
„Darf ich fragen, bis wann wir Bescheid bekommen werden?“
„Das wird wohl eine Weile dauern. Wir haben viele Anwärter – wie Sie sich denken können.“ Dann riet sie ihm, er solle seinen Wagen nach der Prüfung genau anschauen, er werde ein Zeichen finden, das ihm verrate, ob die Prüfer angetan waren oder nicht. Von diesem Zeichen solle er sich leiten lassen. „Das ist mein Tipp“, betonte sie und reichte ihm zum Abschied die Hand.
Eine Gruppe von Jugendlichen stand vor dem Jugendhaus Weißenburg. Drinnen war wenig Betrieb. Der Mann, der ihn so unfreundlich empfangen hatte, stand hinter der Theke. Vermutlich ein Angestellter der Stadt. Drei Jugendliche saßen an einem Tisch. Sonst sah er niemanden.

Kermit übernachtete bei Freunden von Tristan Kampermann im Zentrum Freiburgs. Vom Fenster seines Zimmers sah er direkt auf den Marktplatz. Schon am frühen Morgen herrschte ein großes Gedränge auf dem Platz. Durch eine Baustelle war der Zugang verengt und ein Teil des Platzes war gesperrt. Entsprechend verdichtete sich der Besucherstrom wie das Blut in einer verstopften Arterie.
Beim Frühstück sprach Kermit zu seinen Gastgebern vom Tipp, den ihm die Sekretärin gegeben hatte, nach einem Zeichen Ausschau zu halten. Das stimmte sie neugierig und sie begleiteten ihn zu seinen Wagen. Er musste sich selber erst umschauen. Die Wagen standen nicht da, wo er sie abgestellt hatte. „Sie haben sie nach dort drüben bewegt“, sagte er und wies auf die Wagen, die jetzt deutlich höher geladen waren. „Anscheinend hat man sie abgeladen und neu aufgestapelt.“
„Das ist ja ein gutes Zeichen“, meinte der Gastgeber. „Das heißt, sie haben sich die Requisiten auch wirklich angeschaut.“
Kermit schwieg. Was für eine Menge Zeug er geladen hatte, wurde ihm erst jetzt bewusst, nachdem die Prüfer in ungeschickter Weise alles wieder aufeinander getürmt hatten.
Kermit verglich die Ladungen mit denen, die er sie gestern hingestellt hatte, wie man Rätsel-Bilder vergleicht.
„Als erstes fällt mir auf, dass sie die Wagen auseinander gestellt haben. Das Vorspiel und das Stück scheinen ihnen nicht nah genug beieinander zu liegen.“
„Das kann ja auch positiv sein, dass sie verschieden sind und die Aufführung vielseitig machen. Und sonst?“
„Sie sind ziemlich wackelig aufeinander getürmt. Das sagt, dass es zu viele Szenen sind und ihr Zusammenhang nicht stringent genug ist.“
„Sei nicht so streng mit dir“, beruhigten ihn die beiden.  
Erst als Kermit auf den Wagen kletterte, um die Requisiten zu befestigen, fand er – wie ihm schien – das eindeutige Zeichen, von dem die Sekretärin gesprochen hatte. Die Gegenstände lehnten oben gegen das Anschlagbrett eines Basketball-Netzes. Dadurch hing der Korb direkt neben seinen Requisiten. Konnte es ein deutlicheres Zeichen geben. Er behielt diese Entdeckung für sich. – Noch etwas fiel ihm auf von oben. Beim Wagen mit der Ausstattung des Vorspiels hatten sie alle grellen Tücher nach oben gelegt.
Nachdem er die Wagen hintereinander an sein Fahrzeug angehängt hatte, bedankte er sich bei den Freunden.
Was er meine, wie die Prüfung ausgefallen sei, fragten sie ihn beim Abschied.
Er wies auf die grellen Stoffe und sagte, dass er dies für kein gutes Omen halte.
Die Gastgeberin war anderer Meinung. Ihr gefielen die leuchtenden Stoffe.
Auf der Heimfahrt hatte er kein gutes Gefühl. Er warf sich vor, der Gruppe mit dieser Fahrt unnötige Kosten bereitet zu haben. Der Korb direkt neben den Requisiten, das war eindeutig. MLF

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