Freitag, 11. Mai 2012

50 Das Holzbein im Arsenal


Ihr Blick war nicht wie sonst, bemerkte Toni. Mili fuhr ihm mit der flachen Hand über die Stirn und über die Wange am Mund vorbei zum Kinn. Toni erinnerte sich an sein Gesicht im Spiegel am Abend zuvor. Seine sonst gespannte Haut hatte deutliche Spuren der Erschlaffung gezeigt. Die Geschichten Milis in Form zu bringen, brachte ihn an seine Grenzen. Mili griff sein Kinn und küsste ihn zärtlich. Beim Liebesspiel übernahm sie die aktive Rolle. Er durfte liegen bleiben und sie bewegte sich lustvoll über ihm. Als er zum Höhepunkt kam, beendete sie sogleich den Akt.
Selbst die Geschichte hielt sie dieses Mal auffallend kurz. AS

Ein bisschen hat sich sein Leben schon geändert auf Grund des Fundes. Früher, wenn ihn ein Freund einlud und ihn – weil er absagte – einen Langweiler schimpfte, hob er die Hände und sagte, was soll ich machen, ich habe nun mal nicht die Mittel dazu. Tief drinnen war immer ein Rest von Unklarheit. Wünsch ich das nicht vielleicht sogar und finde deshalb nicht aus dem verzwickten finanziellen Engpass hinaus? Seit dem Fund an der Grenze [41] galt diese Ausrede nicht mehr. Unter der Werkbank lag ja der Umschlag, der, obwohl er schon mehrmals hineingegriffen hatte, nicht dünner zu werden schien.
Als daher Paulo ihn fragt, ob er am Freitagabend mit ins Zeughaus oder wie er vornehmer sagt – ins Arsenal – gehe, kann er das Argument mit den mangelnden Mitteln nicht dagegen anführen.
Dass man sich für ein solches Event – auch wenn es ein allwöchentliches ist – etwas zurecht machen müsste, fällt Tommy nicht ein. Die Aufforderung Paulos, sich schön zu machen, überhört er schlicht. So richtig wohl fühlt er sich doch nur in seinen ollen Klamotten.
Die Gaststätte ist prallvoll. Mehrheitlich jüngere Menschen drängen sich in dem Raum und unterhalten sich lautstark zu wummernder Musik.  Er trägt wie üblich eine Jeans. Da viele andere Typen auch Jeans anhaben und zum Teil noch zerschlissenere als seine, fällt er damit nicht auf. Sein Hemd dagegen, dessen Farbe ausgebleicht und dessen Kragen nicht nur abgestoßen, sondern sogar geflickt ist, passt überhaupt nicht zu den schicken Shirts und T-Shirts, in denen die coolen Leute vor und hinter ihm glänzen. Manche der Gäste haben sich geschminkt. Einige wenige (männliche) Personen tragen sogar einen Rock. Er gesteht Paulo beschämt. „Ich fühle mich schon etwas fehl am Platz.“
„Hab ich dir nicht gesagt, du sollst was Rechtes anziehen?“, ruft ihm Paulo zu, „im Arsenal legt man Wert auf Kleidung.“
Tommy beugt sich zu ihm und sagt – nicht ohne einen gewissen Stolz: „Ich habe mich nie um meine eigenen Bedürfnisse gekümmert.
Im gleichen Moment sieht er im Spiegel am Pfeiler einen Mann mit einem Holzbein. Das eine Bein ganz normal mit Hosenstoß, das andere ein bloßer nackter, hässlicher Stock. Er erschrickt, schaut nach rechts und links, kann aber niemanden mit Holzprothese ausmachen. Da gesteht er sich fröstelnd ein, dass diese Person mit dem Holzbein ihm verblüffend ähnlich gesehen hat. MLF

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