Donnerstag, 3. Mai 2012

44 Selfmademan in Römersdorf j

Den Knaben, so wohlerzogen er sie einschätzt, scheint die Warterei auch zu lange zu dauern. Er hört die Schnallen ihrer Gurten klacken und sie tauchen aus der Versenkung in der Wand auf. Erst jetzt fällt ihm ins Auge, wie extravagant sie gekleidet sind. Was ihnen an ungehemmter Bewegung und natürlichem Spielverhalten fehlt, machen sie durch tolle, wenn auch nicht gerade kindergerechte Kleidung wett. Beide stecken in Anzügen. Aber die Jacketts offen und keine Krawatten. Der Ältere bleibt mitten im Raum stehen und schaut naserümpfend über ihn weg. Da fällt Kermits Blick auf sein exquisites Hemd, ein fleischfarbenes Hellbraun, mit luftigen, weißen Flecken. Wieder schüttelt Kermit den Kopf. Ich möchte nicht wissen, was so ein Hemd kostet, sagt er sich. An was erinnert mich denn dieses Muster?, überlegt er die ganze Zeit. Bis er draufkommt, dass es eine italienische Wurstsorte ist. Diese besonders delikate Wurst, aus reinem Schweinefleisch mit großen Fettaugen - Mortadella. Was für ein toller Einfall. Ein Hemd einer Feinschmeckerwurst nachzuempfinden.
Während er vom Muster dieses extravaganten Hemdes wie gebannt ist, überkommt ihn das eigentümliche Gefühl, als würde, was er sieht, zu einem Bild gerinnen. Das Mortadella-Hemd, die ungelenke Haltung der Jungs, die hässliche Frau im Hintergrund, alles ist plötzlich fixiert. Er fürchtet selbst zu erstarren und bewegt verunsichert die Finger in seiner Faust und hebt den Kopf, um sich zu vergewissern, dass er nicht als Teil einer Installation zu einer Wachsfigur geronnen ist. Die Glieder bewegen sich noch, aber er ist gewarnt. Kermit geht zur Tür. Aufs Interview verzichtet er. Ihm scheint, er habe genug gesehen und flieht von dem Haus.

Draußen ist er erstmal geblendet und steht wie gelähmt. Aber dann sieht er seine Truppe, auf dem schrägen Stück Weg, das zur Hauptstraße führt.
Einer der quirligen Jungs aus der Gruppe rennt auf ihn zu. Kermit legt ihm den Arm über die Schulter. Sich vorbeugend fragt er ihn.
„Na, wo habt ihr euch rumgetrieben?“
 Dabei kommt seine Hand zufällig auf das Geschlecht des Jungen zu liegen. Er drückt es und sagt.
„Da fasse ich mich selber auch manchmal an und halte es. Das fühlt sich gut an.“
Das Kind schweigt. Er will den Jungen hochheben, damit er in der Luft eine Rolle macht. Aber das scheint dem Kind zu heikel zu sein. Es sträubt sich, entwindet sich und jagt quietsch-lebendig davon. MLF

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