…
René berät sie auch dabei und wird von mehreren Jungs
umringt, die alle Vorschläge für ein besonderes Gericht wollen.
„Also, etwas Frittiertes kommt an einem solchen Tag immer
gut an“, sagte René. „Z.B. in Teig getauchte Früchte oder Gemüse, knusprig
gebacken. Dazu eine süßsaure Soße oder Vanillesoße.“
„Das ist viel zu schwierig!“ „Was für Früchte eignen sich?“
„Helfen Sie mir!“… gehen die Stimmen durcheinander. Ein hübscher Junge schmiegt
sich an ihn und lenkt ihn zu seiner Ausstellungsfläche. René wird weich wie
Wachs in der Mittagshitze. Doch dann wird ihm bewusst, dass dieser Schüler vor
den andern bevorzugt werden möchte. Er fasst sich, gibt ihm einen kurzen
Ratschlag, Crêpes mit Bananen und Schokolade und geht weiter.
Auf einem Ausflug mit der Klasse kommt es zu einem prekären
Zwischenfall. Ein besonders großer Schüler packt René und bedroht ihn.
Sie befinden sich auf einer Reise in einem altertümlichen
Bahnbus, der auf Schienen rollt. Das Mobiliar besteht aus dunklem Holz. Jungs
und Mädels halten sich in getrennten Teilen auf. Die Jungs vorne, die Mädels
hinten. René steht zwischen den Jungs, obwohl er seiner Kleidung nach zu den
Mädchen gehörte. Aus unerfindlichen Gründen bleibt der Schienenbus mitten im
Feld stehen und rührt sich nicht mehr. Kein Schaffner, der eine Erklärung
abgibt, nicht mal eine Durchsage. Es wird gemunkelt, dass es bald weitergehe.
Es gibt aber auch Stimmen, die behaupten, das sei’s gewesen, man solle nach
Hause gehen. Unvermeidlich, dass in einer solchen Situation die Spannung steigt.
Plötzlich tritt der Größte aus der Klasse auf René zu und starrt auf seine
Kleidung. Als René nicht zurückweicht, packt ihn der kräftige Kerl an der Bluse
und zieht ihn zu sich. René, der so viel Sympathie und Anerkennung in der
Klasse erfahren hat, strahlt ihn an. Er glaubt, dieser große Junge wolle ihm
durch seinen theaterhaften Auftritt besondere Achtung erweisen. Der verachtende
Blick, als er ihn loslässt, stimmt ihn doch etwas skeptisch. Vor allem als er
hervorstößt:
„Dann muss halt die kleine Verdrückte da hinten herhalten.“
Anscheinend waren das doch Aggressionen, die er zu spüren
bekommen hat. Im Nachhinein erschrickt er. Von den Jungs kann er keine Hilfe
erwarten. Die sind beeindruckt von dem Kerl, das hört er. Sie flüstern.
„Zwei Meter.“ „Der haut jeden um.“
Glück gehabt, denkt er. Sein Puls ist deutlich erhöht. René
schaut rüber zu den jungen Frauen. Es fällt ihm auf, wie viel kleiner und
unscheinbarer sie sind als die Kerle.
„Gehören die wirklich zu eurer Klasse?“, fragt er.
Sie bestätigen es. Dabei beobachtet er die Jungs und kommt
nicht aus dem Staunen heraus, wie verschieden sie sind und was für vielseitige
Persönlichkeiten er vor sich hat. Er hat das seltsame Gefühl, dass je ein Junge
und ein Mädchen eine Einheit bilden. Wie zwei komplementäre Mengen im Kreis.
Als fehlte den Mädels, was die Jungs im Überfluss haben.
Als der Schienenbus sich schließlich doch wieder in Bewegung
setzt, klingelt Renés Handy. Er drückt auf das Hörersymbol und hält das Gerät
ans Ohr. Es ist sein Betreuer. (Auch Mentoren haben Betreuer) Seine Stimme
klingt euphorisch.
„Mutprobe bestanden. Tatsächlich,
wir packen noch ein Mischwesen! Herzlichen Glückwunsch.“
René fällt nichts ein, was er darauf entgegnen könnte. Der
Mentor hat noch nicht alles gesagt. „Bedenke, 1942 getötet. Nach Atlantika. Und jetzt hier. Das glaubt uns
niemand“, fährt er fort.
Dass er manches nicht versteht, was sein Betreuer sagt, ist
er gewohnt. René freut sich aber trotzdem, dass dieser so enthusiastisch ist.
Die Aufregung hat sich gelegt. Sein Blut fließt wieder normal. MLF
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen