Donnerstag, 5. April 2012

33 Mentor und Bettler j

René berät sie auch dabei und wird von mehreren Jungs umringt, die alle Vorschläge für ein besonderes Gericht wollen.
„Also, etwas Frittiertes kommt an einem solchen Tag immer gut an“, sagte René. „Z.B. in Teig getauchte Früchte oder Gemüse, knusprig gebacken. Dazu eine süßsaure Soße oder Vanillesoße.“
„Das ist viel zu schwierig!“ „Was für Früchte eignen sich?“ „Helfen Sie mir!“… gehen die Stimmen durcheinander. Ein hübscher Junge schmiegt sich an ihn und lenkt ihn zu seiner Ausstellungsfläche. René wird weich wie Wachs in der Mittagshitze. Doch dann wird ihm bewusst, dass dieser Schüler vor den andern bevorzugt werden möchte. Er fasst sich, gibt ihm einen kurzen Ratschlag, Crêpes mit Bananen und Schokolade und geht weiter.

Auf einem Ausflug mit der Klasse kommt es zu einem prekären Zwischenfall. Ein besonders großer Schüler packt René und bedroht ihn.
Sie befinden sich auf einer Reise in einem altertümlichen Bahnbus, der auf Schienen rollt. Das Mobiliar besteht aus dunklem Holz. Jungs und Mädels halten sich in getrennten Teilen auf. Die Jungs vorne, die Mädels hinten. René steht zwischen den Jungs, obwohl er seiner Kleidung nach zu den Mädchen gehörte. Aus unerfindlichen Gründen bleibt der Schienenbus mitten im Feld stehen und rührt sich nicht mehr. Kein Schaffner, der eine Erklärung abgibt, nicht mal eine Durchsage. Es wird gemunkelt, dass es bald weitergehe. Es gibt aber auch Stimmen, die behaupten, das sei’s gewesen, man solle nach Hause gehen. Unvermeidlich, dass in einer solchen Situation die Spannung steigt. Plötzlich tritt der Größte aus der Klasse auf René zu und starrt auf seine Kleidung. Als René nicht zurückweicht, packt ihn der kräftige Kerl an der Bluse und zieht ihn zu sich. René, der so viel Sympathie und Anerkennung in der Klasse erfahren hat, strahlt ihn an. Er glaubt, dieser große Junge wolle ihm durch seinen theaterhaften Auftritt besondere Achtung erweisen. Der verachtende Blick, als er ihn loslässt, stimmt ihn doch etwas skeptisch. Vor allem als er hervorstößt:
„Dann muss halt die kleine Verdrückte da hinten herhalten.“
Anscheinend waren das doch Aggressionen, die er zu spüren bekommen hat. Im Nachhinein erschrickt er. Von den Jungs kann er keine Hilfe erwarten. Die sind beeindruckt von dem Kerl, das hört er. Sie flüstern.
„Zwei Meter.“ „Der haut jeden um.“
Glück gehabt, denkt er. Sein Puls ist deutlich erhöht. René schaut rüber zu den jungen Frauen. Es fällt ihm auf, wie viel kleiner und unscheinbarer sie sind als die Kerle.
„Gehören die wirklich zu eurer Klasse?“, fragt er.
Sie bestätigen es. Dabei beobachtet er die Jungs und kommt nicht aus dem Staunen heraus, wie verschieden sie sind und was für vielseitige Persönlichkeiten er vor sich hat. Er hat das seltsame Gefühl, dass je ein Junge und ein Mädchen eine Einheit bilden. Wie zwei komplementäre Mengen im Kreis. Als fehlte den Mädels, was die Jungs im Überfluss haben.
Als der Schienenbus sich schließlich doch wieder in Bewegung setzt, klingelt Renés Handy. Er drückt auf das Hörersymbol und hält das Gerät ans Ohr. Es ist sein Betreuer. (Auch Mentoren haben Betreuer) Seine Stimme klingt euphorisch.
„Mutprobe bestanden. Tatsächlich, wir packen noch ein Mischwesen! Herzlichen Glückwunsch.“
René fällt nichts ein, was er darauf entgegnen könnte. Der Mentor hat noch nicht alles gesagt. „Bedenke, 1942 getötet. Nach Atlantika. Und jetzt hier. Das glaubt uns niemand“, fährt er fort.
Dass er manches nicht versteht, was sein Betreuer sagt, ist er gewohnt. René freut sich aber trotzdem, dass dieser so enthusiastisch ist. Die Aufregung hat sich gelegt. Sein Blut fließt wieder normal. MLF

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