Mittwoch, 25. April 2012

41 Fund an der Grenze j

Am nächsten Morgen hielt sich Tommy an die Arbeit. Zum Fundbüro konnte er auch am Nachmittag noch gehen.
Im Laufe des Morgens kam sein Bekannter, Peter Matt, vorbei.
„Hallo Peter, wie geht’s?“, fragte Tommy, erfreut über die Zerstreuung.
Matt schüttelte sorgenvoll den Kopf. „Habe heute schon kalt geduscht. Jetzt ist auch noch die Gastherme kaputt.“
„Was, kalt duschen? Wie schrecklich! Hast du dem Installateur Bescheid gegeben?“
„Noch nicht. Was glaubst du, was das wieder kostet. Keine Rücklage. Da rödelt man den ganzen Tag und es bleibt doch nichts hängen.“
Matt war ein lieber Kerl, aber er brachte nichts auf den Punkt. Und was Tommy wirklich nervte, er schwärmte gerne von den früheren Zeiten. Aber er hatte sich ihm gegenüber als hilfsbereit erwiesen. Tommys Blick fiel auf die Scheine. Da entschied er, Matt zwei Hunderter zu geben. Er stellte es so an, dass sein Bekannter das Kuvert nicht sah. Als Peter, sich herzlich dankend verabschiedete, legte Tommy den Umschlag unter die Werkbank zu dem Wust von Dingen, die da lagen. Da kam ihm erstmals der Gedanke, dass er das Kuvert auch behalten könnte. Falls ihn doch jemand gesehen hatte, konnte er ja sagen, er habe es unter der Werkbank vergessen. Mit diesem Geld wären nicht nur seine Probleme gelöst, sondern er könnte auch andern helfen, die wie Peter in Schwierigkeiten steckten.
Kurz darauf trat Jella in die Werkstatt. Sie warf einen Blick auf seine Arbeit und sagte dann. „Um fünf bin ich zurück. Kannst du bis dahin das Essen richten?“
Er nickte mechanisch. Da sie arbeitete und ihn mit dem Nötigsten versorgte, verrichtete er einen Teil der Hausarbeiten. Er stellte sich vor die Bank und schob das Kuvert etwas tiefer nach hinten. Es war weniger die Angst, sie würde einen Anteil fordern, als die Vermutung, dass sie ihn drängen würde, das Gefundene abzuliefern oder es zumindest als Einnahme korrekt zu versteuern. (Was auf das Gleiche hinausgelaufen wäre)
Weder der Besuch von Peter, noch der von Jella hatten Tommy überrascht. Was er hingegen kurz danach sah, ließ ihn an seinen Sinnen zweifeln. Unweit von ihm stand plötzlich ein Weib. Er beobachtete, wie diese hässliche, schrumpelige Frau sich über ein irdenes Becken beugte, das auf der hinteren Werkbank lag. Seit er auf das Kuvert gestoßen war, spielte seine Fantasie verrückt. Erst den chinesischen Weisen und nun dieses fürchterliche Erdweib. Tommy näherte sich ihr. Das Wasser war eine widerliche, dreckige Brühe. Nichtsdestotrotz senkte sie ihren verstrubbelten Kopf und trank wie ein Tier von diesem Schmutzwasser. Tommy tat die Frau leid.
„Warten Sie“, sagte er, „ich fülle Ihnen frisches Wasser ein.“
Aber alles was er zur Antwort bekam, war ein verächtlicher, abwehrender Blick.

Von seiner Werkstatt aus führte eine kurze Straße abwärts und mündete im spitzen Winkel in die große Hauptstraße. Dieser kurze Abschnitt war bekannt für seine Blitzer. Gleich mehrere waren dort aufgestellt. Die Fahrer wurden kontrolliert, bevor sie in die große Straße einmündeten. Das Besondere an diesen Geräten war, dass sie die Fahrzeuge nicht nur von vorne, sondern auch von hinten prüften. Eines der Geräte, hatte er bemerkt, war völlig eingewachsen. Unten war nur der halbe Tragepfosten zu sehen und oben ein Eck des Kastens. Er hatte bezweifelt, dass diese Geräte wirklich eingesetzt würden, wenn man sie so verkommen ließ. Andererseits hatte er von jemandem erfahren, der, aufgrund einer Prüfung in diesem Abschnitt, vor Gericht gestellt worden war und eine Haftstrafe verbüßen musste. Der Bestrafte hatte ein Stück von einer Plane unter die Heckklappe geklemmt, um das Erkennungsschild zu verdecken. Vor Gericht versuchte er seine Maßnahme damit zu rechtfertigen, dass er die Heckseite als seine Intimseite habe schützen wollen. Damit erreichte er keine Milderung, im Gegenteil. Tommy hatte das Auto gesehen. Man hatte es zur Abschreckung eine Weile lang stehen lassen. Die Plane hing noch so, wie er sie angebracht hatte, sie ließ Tommy an einen Lendenschurz denken. Dies ging ihm durch den Kopf, als er nach dem Fund der Geldscheine diese Straße abwärts fuhr.
Da traf ihn plötzlich wie ein Blitzstrahl der prüfende Blick einer Person. Der Mann stand am Straßenrand und fixierte ihn durch die Frontscheibe hindurch. Tommy erschrak. Dieser Blick drang tiefer als er mit seinem Gewissen bisher gekommen war, das spürte er. Ich bin jetzt auch einer von denen, die Geld an sich ziehen, warf er sich vor. So ins Visier genommen zu werden, hatte bestimmt einen Grund. Ein solcher Blick ließ sich nicht täuschen. Er gestand sich schmerzlich ein: Ich bin jetzt auch ein Korrupter. Am selben Tag, da er die Scheine gefunden und an sich genommen hatte, war er schon denen zugeordnet worden, die Geld an sich zogen und nie genug davon kriegten. MLF

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