…
Franz war am Nachmittag anderweitig verpflichtet. Mark brach die
Arbeit ab und unternahm eine größere Wanderung. Das schöne Wetter lud förmlich
dazu ein. Er war schon länger nicht beim elterlichen Haus vorbeigegangen. Bis
dorthin war es eine ziemliche Strecke, aber wenn er gleich losginge, würde er
es noch schaffen, bevor es dunkel wurde. Unterwegs dachte er über den Hof nach.
Sie hatten ihn der Familie Neu zur Pacht übergeben. Seit Oppermann ihm damals
das Problem mit der Jauche lösen half, hatte er sich nicht mehr eingemischt. [Kotstreuende
Kuh, 02.02.] Paula Neu hatte das Sagen und sie machte es gut.
Eine Umformierung der Wolken nach Westen hin, deutete an, dass
der Nachmittag langsam in den Abend überging. Da kam das Elternhaus in
Sichtweite. Vor dem Eingang des Hauses stand ein Baum in einem Wagen. Drumherum
waren mehrere Personen beschäftigt. Die Bäume wurden folglich in Wannen
gepflanzt und konnten so zur Ernte vors Haus gefahren werden. Sechs, sieben
fleißige Menschen wirkten mit. Sie waren so beschäftigt, dass sie ihn gar nicht
bemerkten. Die Schürzen, die sie trugen, gaben ihnen einen etwas altertümlichen
Ausdruck. Es handelte sich um eine besonders große Sorte von Äpfeln. Sie wurden
gepflückt und an Ort und Stelle eingemacht. So weit er sehen konnte, wurden sie
bloß tranchiert, in ein Glas gesteckt und mit einer besonderen Flüssigkeit aus
einem großen Topf übergossen, das Glas verschlossen, fertig. Beim Zuschauen
überkam ihn die Lust einen Apfel zu probieren. Mark räusperte sich.
„Hallo, Ihr seid ja eifrig am Arbeiten. Schmecken diese Äpfel?
Darf ich einen probieren?“
Sie wirkten nicht überrascht, waren aber sichtlich verlegen. Schauten
sich gegenseitig fragend an.
„Die schmecken frisch nicht“, sagte schließlich diejenige, die die
Äpfel sorgfältig vom Ast löste, „das sind Einmachäpfel.“
Mark wies auf ein paar, die schöne rote Backen hatten. „Aber die
sind doch reif hier“, hielt er dagegen.
Die Person, die sie einschloss, öffnete ein Glas, zog ein langes
Stück heraus und reichte es der nächsten, die es weiterreichte, bis es bei ihm anlangte.
Mark roch daran, Gewürze konnte er keine feststellen. Er brach ein Stück ab,
steckte es in den Mund und kaute langsam, den Geschmack und die Bissfestigkeit
prüfend.
„Sehr gut“, befand er, „die sind ja richtig knackig.“
Diese Äpfel könnten wir eigentlich in unserem Katalog aufnehmen, überlegte
Mark. Doch dann fiel ihm auf, dass die Mitarbeiter alle schon etwas älter
waren. Ihre Schürzen und zum Teil Kopftücher verstärkten noch diesen Eindruck. Widerspricht
das nicht dem Wunsch von Franz, dass die Protagonisten des Katalogs in einer
gegenwärtigen Zukunft zuhause sein sollen? Tja, würde er mit ihm bereden
müssen. Aber so sind halt Menschen, die Äpfel einmachen, sagte er sich. Das
lässt sich wohl nicht ändern. MLF
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