…
Erneut schlüpfte er in die Kleider und ging nach draußen. Da sah Mark
an die zwanzig Personen, die sich mitten in der Nacht am Eingang des Gartens
zusammengefunden hatten. Jetzt war ihm auch klar, warum die beiden sich nicht
in den Bus hatten legen wollen. Sie hatten auf andere Nachtschwärmer gewartet.
Ein großer schwarzer Hund rannte auf ihn zu. Er zögerte.
„Nicht beachten.“ „Der tut dir nichts“, riefen ihm raue Stimmen
zu. Am liebsten wäre er umgekehrt. Durfte man aber nicht, wenn ein Hund auf
einem zukam. Zudem wollte er Oppermann bitten, den Anhänger abzustoßen. Der
Hund verlor tatsächlich das Interesse an ihm. Es hatte ihn aber einiges an
Überwindung gekostet. Langsam beruhigte sich sein Blut wieder. Er setzte sich
zu Franz und schaute auf die illustren nächtlichen Gäste, soweit er sie im
Mondlicht erkennen konnte. Ihre grobe Kleidung weckte in ihm den Eindruck von
Nachtfaltern, deren pelzige Flügel weniger bunt und weniger ausgeformt sind als
die der Tagfalter. Sie tauschten mit gedämpften Stimmen Erfahrungen aus. Oder
erzählten aberwitzige Geschichten, von denen er auf die Kürze nichts
aufschnappen konnte. Sie kauten Kräuter wie Franz, manche rauchten. Zwei, drei
Frauen waren auch dabei. Da fiel ihm ein, dass er Oppermann mitteilen wollte
den Anhänger wieder zu verkaufen.
„Der hat sich jetzt doch in den Bus gelegt“, teilte ihm Franz
mit.
Es standen viele Autos an der Straße. Der Bus war wohl der letzte
in der Reihe. Für den Fall, dass Oppermann schlief, wollte er ihm einen Zettel
unter den Scheibenwischer stecken. Deshalb ging er ins Haus zurück und holte
seinen Rucksack. Die Kräuter, die noch immer in der Hosentasche steckten, schob
er in den Sack.
Der letzte Wagen in der Reihe war es auch nicht. Daran anschließend
begann mit einem zweistöckigen Carport und dem zugehörigen Haus die Siedlung.
Mark schaute auch da noch nach. Da stand ein Bus im überdachten Bereich, aber
der war beschriftet. Durch die Scheibe spähend sah er blitzende Rohre und einen
Schrank für Werkzeuge oder Ersatzteile. Das war ohne Zweifel der Werkwagen
eines Installateurs. Von einem Sog gezogen ging Mark die Treppen hoch zum
oberen Stock des Carports. Eigentlich konnte er sich nicht vorstellen, dass
Oppermann hier geparkt hatte. Und doch, im oberen Stock stand der Bus, ohne
Anhänger. Mark ging nach unten, um aus dem Rucksack, den er neben dem
Treppenaufgang gelassen hatte, Zettel und Stift zu holen. Aber der Rucksack war
nicht da. Obwohl er sich sicher war, ihn unten gelassen zu haben. Man kann sich
ja täuschen, sagte er sich und ging wieder hoch. Zweimal ging er hoch und
runter und konnte einfach nicht verstehen, wo der Rucksack geblieben war. Er
fürchtete, die Leute zu wecken. Als er wieder hinunterkam, stand eine Frau bei
der Treppe im Halbdunkel. Umständlich entschuldigte er sich.
„Es tut mir leid, dass ich hier mitten in der Nacht hoch und
runter gehe. Aber oben steht der Bus eines Bekannten. Ich will ihm einen Zettel
schreiben. Aber mein Rucksack ist weg.“
Die Frau fing an zu kichern. „Ich hab ihn“, sagte sie und lachte
unverhohlen. Ihr Gesicht wirkte im Halbdunkel verlebt, die Schwellungen unter
den Augen traten deutlich hervor.
Was für ein Scherz, mitten in der Nacht. Mark war sauer. Aber das
schien sie noch mehr zu belustigen.
„Und es war Gras drin“,
rief sie und lachte laut, dass er fürchtete, die ganze Nachbarschaft würde
zusammenlaufen. „Sie haben Gras im
Rucksack.“
Mark glaubte, es mit einer Irren zu tun zu haben. Aber da fiel
ihm ein, dass er von den Kräutern, die Franz ihm gereicht hatte, nur wenig
gegessen und den Rest eingesteckt hatte. Im Rucksack waren nicht nur Zettel und
Stift drin, sondern auch seine ganzen Papiere und sein Geld. „Kann ich ihn
wiederhaben?“, fragte er vorsichtig.
Sie ging ihm voran zum Haus. Das war modern, aber unfertig und
wirkte dadurch wie eine Ruine. Auf das Betätigen des Türklopfers ging die Türe
auf. Eine junge Frau stand in der Öffnung mit einem rotbackigen Gesicht, wie
dem ‚Tomi-Ungerer-Liederbuch‘ entsprungen. Offensichtlich war sie die Tochter
der Humoristin, denn sie zeigte sich genauso erheitert. Lachend ließ sie ihn
wissen.
„Ich habe einen Freund, der
isst auch Gras. Er heißt Schaman.“
Mark war nur an einem gelegen. Möglichst schnell von diesem Haus
am Rand der Siedlung wegzukommen. Sobald er den Rucksack hatte, lief er davon.
Aufs Zettelschreiben verzichtete er.
Als er sich später bei Oppermann über diesen nächtlichen Vorfall
beklagte, meinte dieser lakonisch. „Was hast du anderes erwartet? Du bist ja ein Kind der Erde und nicht des
Glücks.“ MLF
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