Freitag, 30. März 2012

31 Der gefrorene Himmel i

Als Toni aufwacht, liegt seine nächtliche Gefährtin regungslos da. Er legt seine Hand auf ihre Taille und erschrickt. Ihr Körper ist starr. Erschrocken fährt er hoch. Doch sie atmet, ihre Brüste heben und senken sich. Seine Angst weicht und er betrachtet sie. Stirn und Nase, von perfekter Schönheit, strahlen eine Kälte aus, die ihn frösteln lässt. Ihr Mund dagegen und ihre Wangen verraten Leidenschaft und Unberechenbarkeit. Erst als sie die Augen öffnet und ihn anblickt, hat er seine Mili wieder und das Vertrauen kehrt zurück. Sie lächelt, zieht ihn an sich und sie lieben sich.
Daraufhin erzählt sie ihm die folgende Geschichte. AS


Die Wohnung des Freundes befindet sich im obersten Geschoss eines hohen, soliden Stadthauses. Lothar findet hier eine Bleibe für die Dauer einer Arbeit, die er sich vorgenommen hat. Es ist nicht ganz die Art zu wohnen, die ihm gefällt. Ein zweistöckiges Haus mit etwas Umschwung entspräche ihm mehr. Doch im ungenutzten Dachgeschoss darüber findet sich genügend Raum, eine Aufgabe anzupacken, die schon seit längerem ansteht. In dem fensterlosen Raum verwahrt er Material, das er über einen längeren Zeitraum gesammelt hat. Zwei Bekannte sind ebenfalls an den Aufzeichnungen interessiert und unterstützen ihn bei der Sichtung des Materials. Imelda, Psychologin und Analytikerin und Tamura, gebürtiger Japaner und Linguist. Die Interessen der beiden sind ziemlich verschieden. Während Imelda nach wertvollen Passagen sucht, an denen sie sich erbauen kann, prüft Tamura das Material auf Verwertbarkeit für eine eventuelle Veröffentlichung. Ideal für diese Arbeit ist der Dachraum nicht. Die Seiten sind abgeschrägt. Nur in der Mitte kann man aufrecht stehen. Das Material liegt in einem Dutzend Bananenkisten bereit. Tamura greift einen Ordner heraus und sagt.
„Wir müssen herausfinden, welcher Aufwand nötig ist, um die Texte ansprechend präsentieren zu können. Wichtig ist, potentielle Leser ins Auge zu fassen.“
Imelda entgegnet darauf. „Wenn die Inhalte für mich und für Lothar wertvoll sind, dann auch für die Leser, gewiss zumindest.“
Tamura, der sich mit ihrer Ausdrucksweise nicht leicht tut, schweigt dazu.
Da die Möbel fehlen, setzen sie sich auf den Boden und fangen an, jeder für sich, die über viele Jahre gesammelten Blätter zu sichten. Beim Licht der Glühbirne, die in der Fassung steckt, können sie nicht lesen. Lothar findet unten in der Wohnung eine stärkere Birne. Eine Stromsparleuchte, die angeblich 75 Watt erzeugt. Aber sie hat nicht die gleiche Strahlkraft wie eine herkömmliche.
Wenn etwas wie Heftklammern, Notizblätter, Klebstoff… fehlt, geht Lothar nach unten und holt es aus der Wohnung oder in einem Laden. Er sorgt auch für die Verpflegung.
Dabei kommt er jedesmal an der Glastür vorbei, durch die man vom Flur auf die schmale Dachterrasse gelangt. Da sein Freund ganz oben wohnt, zeigt sich ein weiter Ausblick. Nur ist das Wetter in diesen Tagen nicht danach, die Aussicht zu genießen. Der Himmel ist grau und hängt sehr tief. Dass dieser niedrige Himmel immer gleichbleibend starr wirkt, zieht schließlich Lothars Aufmerksamkeit auf sich. MLF

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