Wie könnte ich sie überraschen und ihr etwas ganz Besonderes
bieten?, quält sich Toni. Er sieht ein Bild aus dem Kamasutra vor sich, auf dem
sich der Prinz und seine Geliebte mit verschränkten Beinen im Kopfstand
vereinigen. Mili spürt, dass er abwesend ist. Sie zieht ihn an sich. Da
vergisst er alles und lässt es einfach geschehen.
Ungern löst er sich danach aus ihrer Wärme und Glut. Sie rutscht
nach oben und beginnt zu erzählen, von Erduan, der auf Heimaturlaub… AS
Nach dem schlechten Start in old China [Den Bach runter, 22.02.]
legt Erduan erst mal eine Pause ein, in seinem Domizil in der Falterstraße. Via
Frankfurt ist er zurückgejettet und mit dem Zug in die Nesenbachstadt
eingerollt (oberirdisch). Auf dem Weg hoch zur Degerhöhe ist er zum Glück nicht
in einem Gebäude geraten.
Der Besuch der Japanerin und ihrer Delegation hat ihn von seiner
Bedrückung befreit, aber eine ziemliche Ratlosigkeit ist geblieben. Er soll
jetzt etwas entwerfen, das gar nicht wie ein Möbel aussieht, ein segelförmiges
Brett mit Rillen, in die Kassettenbehälter geschoben werden. Deshalb hat er, selbst
jetzt, da er im Urlaub ist, seine Fühler ausgestreckt, die Sensoren sind auf
aktiv gestellt.
Von der Falterstraße, oben auf der Degerhöhe, aus schaut er immer
mal gern im Haus von den Staus vorbei. Die verpachten das Erdgeschoss als
Ladenfläche. Jedesmal, wenn er vorbeikommt, ist ein neuer Pächter drauf. Er
informiert sich dort also eher, wie man es nicht machen sollte. Offenbar scheinen
bei ihnen alle zu floppen.
Dieses Mal jedoch ist Erduan positiv überrascht. Wie’s scheint
sind die jungen Staus selber aktiv geworden. Schon das Äußere des Ladens
besticht. Neue Scheiben, dunkel getönt. Von der Tür aus hat er einige Stufen
hochzusteigen. Das Niveau des Ladens ist angehoben. Ein weitläufiger Raum mit
verschiedenen Bereichen. Die Wände weiß und schwarz mit einzelnen gut gesetzten
Farbpunkten, grün und rot. Jede Nische mit Spots ausgeleuchtet. Die jungen
Leute haben sich da echt was einfallen lassen. Ein Designstudio oder Werbebüro
vermutet er. Wo ihr Schwerpunkt liegt, ob sie auf Zeichnung, Film oder Sprache
fokussiert sind, ist ihm noch nicht klar.
Eine junge Frau begrüßt ihn, scheint aber zu beschäftigt, um sich
um ihn zu kümmern. Ein smarter Typ, gut frisiert, ruft ihm ein Hi zu. Die
Neugier treibt Erduan weiter in den Laden hinein. So wie er sie reden hört,
scheinen die jungen Leute völlig unbedarft zu sein und gleichzeitig total
ehrgeizig. Anscheinend auch erfolgreich, wenn sie so einen Laden einrichten
können. Ein vielleicht Dreißigjähriger kommt auf ihn zu. Der macht einen ganz
vernünftigen Eindruck. Erduan lässt sich an den langen Tisch an der
Straßenseite führen. Von innen sieht man nach draußen, während er von der
Straße her allenfalls hat ahnen können, was sich hinter den getönten Scheiben
verbirgt. Erduan schildert kurz den Stand. Frühere Arbeitsweise überholt, neue
gesucht. Sein Berater macht ihm sofort einen Vorschlag, der ihm gar nicht
unvernünftig erscheint. Wood-Press heißt das neue Zauberwort. Formen in
unbegrenzter Vielfalt.
Seinen Berater findet Erduan ja ganz vernünftig, aber links von
ihm sitzt einer am Tisch, ein richtiger Bruno-Typ. Wenn er ihn auf der Straße
getroffen hätte, würde er ihn gar für einen Schläger gehalten haben. Er ringt
mit einem Text, scheint am Verzweifeln zu sein. Schüchtern, fast bettelnd,
wendet er sich an Erduan. „Wie schreibt man Kalamität?“
„Komm Junge“, sagt Erduan jovial, „lass es dir zeigen“ und
schreibt’s ihm hin. Dabei verschreibt er sich allerdings mehrmals. Das Wort
verwundert ihn. Er liest den Satz davor und stellt fest, Kalibrierung muss es
heißen. Er spricht das Wort in Silben. „Ka-li-brie-rung, nicht Kalamität.“ MLF
…
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