Donnerstag, 22. März 2012

28 Eindringlinge im langen Raum i

Toni verspürte ein großes Verlangen nach Mili. Aber jedes Mal, wenn er sich ihr zuwenden wollte, sank er wieder in den Schlaf zurück. Als er schließlich doch aufwachte, sah er, dass sie sich entfernte. Die Angst sie zu entbehren, vertrieb den letzten Schleier. Sie drehte sich um, schlüpfte zu ihm und sie liebten sich.
Anschließend erzählte Mili Folgendes. AS


Der Tag davor ist etwas lang gewesen und gut geschlafen hat er auch nicht. Nachdem er sich in den frühen Morgenstunden von Enrico verabschiedete, hat er sich zu Hause schlafen gelegt. Ist aber auf Grund seines sonstigen Rhythmus‘ viel zu früh aufgewacht. Er bleibt an diesem Tag die ganze Zeit im Flur hängen, der als Wohnraum eingerichtet ist. Am Anfang und am Ende ist der Raum geknickt. Dadurch erscheint er endlos. Während René an seinem Arbeitstisch sitzt, nisten sich im vorderen Bereich drei Personen ein. Er nimmt sie beiläufig wahr – jedesmal, wenn sie aus dem Knick hervortreten. Es sind zwei Frauen und ein Mann. Da sie sich ruhig verhalten, unternimmt er nichts. Aber dann spaziert eine der Frauen zur Kommode an der rechten Wand vor dem Knick. Ohne zu fragen greift sie nach einer der schönen roten Bommeln, mit denen er das Möbel geschmückt hat. Wie kann die es wagen, fragt er sich brüskiert, dringt hier ein und bedient sich auch noch an der Deko. Der Ärger wühlt ihn auf und stört den süßen Nachklang von der Nacht zuvor. Erzürnt geht er zu den Dreien und weist sie aus dem Raum.
Weil er nicht ausgeschlafen ist, fällt es ihm schwer sich zu konzentrieren. Doch schließlich findet er den Faden und kommt voran. Aber die drei sind schon wieder da. Die andere Frau schreitet – als wäre sie bei ihm zuhause – zur Garderobe. Sie hängt seinen grauen Anzug ab und dreht ihn hin und her. Macht sogar Anstalten ihn anzuprobieren.
Jetzt wird’s René zu bunt. Er rennt hin. Sie wirft den Anzug weg und verlässt gemeinsam mit den andern den Raum. Er ist erleichtert. Als er den grauen Anzug aufliest und ihn glattstreicht, überfällt ihn ein unerklärlicher Trübsinn. Die schöne Stimmung vom Vortag ist endgültig verweht. Er fühlt sich wie ein Gefangener in diesem langen Raum.
Wieder macht er sich an die Arbeit. Als er endlich in Fluss kommt, sieht er, wie der Mann, ganz cool zur Ablage bei der Garderobe schreitet, sich eine Zigarette aus seiner, Renés, Schachtel holt und sie in den Mund steckt. In René zieht sich alles zusammen. Er hat am Vorabend den Stengeln etwas zu arg zugesprochen und hat sich deshalb vorgenommen, bis zum Abend nicht zu rauchen und muss jetzt zuschauen, wie ein anderer genüsslich vor seinen Augen raucht. Statt aufzuschreien, guckt René auf die Uhr. Es ist gerade Mittag. Enrico müsste inzwischen auch auf sein. Er wählt seine Nummer.
„Pronto“, tönt es von der andern Seite des Äthers. Enricos Stimme klingt verschlafen.
„Hab ich dich geweckt?“, fragt er entschuldigend.
„Nein, nein, bin eben aufgestanden. Und – wie hast du geschlafen?“
René schweigt, er will nicht klagen. „So lala. Aber hör mal. Ich werde dauernd gestört hier, von zwei Frauen und einem Mann. Erst nimmt die eine ein schönes Stück von meiner Deko, dann will die andere meinen grauen Anzug anprobieren und jetzt erdreistet sich der Mann und raucht eine meiner Zigaretten.“
„Jag sie doch fort“, rät Enrico und gähnt.
„Das versuch ich doch die ganze Zeit, aber sie kommen immer wieder.“
„Ah, verstehe, das kenn ich. Wahrscheinlich hast du einen Hang-over. Das ist die Sorte Leute, die das spüren. Die nutzen das gnadenlos aus. Da hilft nur eins, kalte Milch. Damit kriegst du sie fort, die hassen sie.“
„Ich hab keine Milch im Haus.“
„Dann versuch’s mit Wasser.“
„Okay, ich versuch’s. Danke. Ich ruf dich am Abend an.“ René legt auf.  MLF

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