Als Toni aufwachte und Mili
neben sich sah, in ihrem Glanz und ihrer Schönheit, kam er sich wie ein kleines
Würmchen vor. Tatsächlich war sie viel stattlicher als er. Es war ihm sonst
nicht so ins Auge gestochen. Dafür jetzt umso stärker. Er fühlte sich nicht in
der Lage ihr beizuwohnen. Irgendwann, wenn der mildernde Schleier der Liebe
verflogen war, würde sie sehen, was für ein Pimpf er war und würde nicht
wiederkommen. Nein, diese Nacht ging es nicht.
Er stöhnte, als würde er
noch schlafen, drehte sich von ihr weg und zog den Kopf unter die Decke. Aber
Mili war nicht zu täuschen. Sie verstand es als ein Versteckspiel. Plötzlich
war da keine Decke mehr. Offenbar war der Liebesschleier noch sehr dicht, denn
sie war ganz verrückt nach ihm.
Darauf erzählte sie ihm die
folgende Geschichte. AS
„Glaub ja nicht, dass die dich in Ruhe lassen“, bemerkte Jella
skeptisch, als Tommy ihr voller Begeisterung berichtete, er werde Unterstützung
bei der Kommune beantragen. [Abrigator, 08.03.]
„Wieso?“, entgegnete er ernüchtert, „du gönnst mir ja nur nicht,
dass ich unabhängig werde.“
„Unabhängig? Unabhängig mit sozialer Hilfe? Da glaubst du ja
selber nicht dran“, sagte sie schroff.
Enttäuscht ging er nach oben. Typisch für die ältere Schwester. So
langsam übernahm sie die Mutterrolle, mäkelte dauernd an ihm rum und wollte ihn
doch nicht in die Freiheit entlassen. Nein, er hatte jetzt genug von diesem
engen Haus [Trommeln, 06.03.]. Wenn er die Unterstützung bekam, würde er sich
eine schöne Einzimmerwohnung mieten. Am liebsten mit Dachterrasse und Blick auf
den Marktplatz.
Vor dem Gang zur Agentur, in deren Obhut die soziale Hilfe
neuerdings lag, musste er noch beim Rathaus vorbei, um die Wohnbestätigung
abzuholen. Das Rathaus war auf zwei Seiten von Arkaden umgeben, gestützt auf
schlichte Pfeiler. Auch bei Regenwetter konnte man trockenen Fußes zum Eingang
diagonal gegenüber gelangen. Als er unter die Arkaden trat, beobachtete er
einen Heiratszug. Eine wunderschöne Frau in Weiß mit langer Schleppe. Der Mann
neben ihr wirkte eher wie die Karikatur eines Bräutigams. Er versank in einem
schwarzen Zweiteiler, den er sich wohl von einem stattlichen Freund ausgeliehen
hatte. Etwa zwei Dutzend Verwandte und Freunde begleiteten sie. Tommy blieb
eine Weile stehen und starrte auf das ungleiche Paar und die Gruppe. Sie kamen
kaum voran. Aus unerkenntlichem Grund bewegten sie sich im Zeitlupentempo. Er
löste sich und ging zum Meldeamt. Als er zurückkam, hatte der Heiratszug noch
nicht mal den Knick vorne nach links geschafft. Wenn die weiter so trödeln,
dachte Tommy, wird das Standesamt geschlossen sein, bevor sie eintreffen. Er
wartete noch eine Weile, aber da bewegte sich nichts. Dann riss er sich los, um
nur ja nicht den Termin bei der Agentur zu verpassen. MLF
…
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