…
Er hatte
plötzlich den Eindruck, sie befänden sich in einem Roman von H. Mukamari,
diesem Künstler, bei dem man nie wusste, ob das, was man las, real war oder
nicht. Er erinnerte sich, dass in dem Roman ein Verbrechen geschah. Dieser
Junge wird das Mädchen umbringen, glaubte
er und erschrak gleichzeitig ob seinen Gedanken. Es war wirklich ein
saublödes Gefühl.
Der Junge
schien jedoch ganz unbekümmert und wies auf den zweiten Wohnblock in der Kette
der Wohnfabrik hin. "Da bin ich untergebracht", sagte er freimütig,
"und ab und zu darf ich zu meiner Familie."
Aha, dachte
Jasmus, er ist also dort untergebracht. Ein Verbannter. Wie er selber ja
eigentlich auch. "Und wie alt bist du?", fragte er gerade heraus, um
in diesem unsicheren Punkt Klarheit zu bekommen.
"Im
Jahr ... in Heimen geboren", kam als knappe Antwort.
Jasmus
glaubte nicht recht zu hören. Genau so alt wie er und auch noch im selben Ort
zur Welt gekommen. Das war es wahrscheinlich, was ihn an diesem Mann so
befremdete. Er war nicht gealtert. Das konnte nur vom Dahinvegetieren in einem
solchen Wohnblock herrühren, zum Nichtstun verdammt. Mit seinem aufgeschwemmten
Vollmondgesicht und den tapsigen Bewegungen wirkte er noch immer wie ein Kind.
Jasmus fiel
wieder der Roman ein. Jeden Moment konnte etwas Grausiges geschehen. Er wusste,
dass er daran nichts ändern konnte. Er könnte höchstens aufhören sich zu
erinnern- Aber die Geschichte würde dadurch nicht gelöscht. Wenn es ihm dagegen
gelang, sie wachzurufen, so würde ihn das Schreckliche nicht ganz so unerwartet
treffen. Sie betraten das hohe Gebäude, in dem Jasmus wohnte und stiegen durch
das schwach beleuchtete Treppenhaus hoch.
Das
Verbrechen war ziemlich am Anfang verübt worden. Ansonsten hatte er den Roman
als eher aufbauend in Erinnerung. Aber das war eine echte Tortur. Er erwartete,
dass dieser Junge das Mädchen tötete. Aber wie? Im Geist sah er einen
Schlagring vor sich. - Mit einem Schlagring? In seinem Beisein? - Grauenhaft.
Wie würde er nachher vor ihre Eltern treten? Schweiß rann ihm von der Stirn.
Ändern konnte er nichts.
Auf einer
der Zwischenstufen machten sie Rast. Leute hatten alte Stühle und Müll
hinterlassen. Er und das Mädchen setzten sich. Der Junge nicht, der ging
weiter.
Nach einer
Weile kam er zurück, ganz aufgeräumt, munter, wie ihm Jasmus nicht zugetraut
hätte. "Ich habe in vier Sekunden..."
Was hast
du?
Er drängte
Jasmus ihm zu folgen. Er müsse unbedingt kommen.
Ihm war
nicht wohl dabei. Vielleicht war das eine Falle, um ihn vom Mädchen
wegzulocken. Andererseits wollte er ihm den Wunsch nicht abschlagen, da er so
gut drauf war. Verändern konnte er sowieso nichts, der Roman war längst
geschrieben. Vier Sekunden hörte sich nach einer super Zeit an. MLF
Und, ist
das alles?, fragte ich verwundert. Sie sah mich auffordernd an, als wollte sie
sagen: Du hast doch den Roman gelesen, erinnerst du dich nicht, Toni?
Nein,
ich kannte ihn nicht. Und ich war sogar froh darum. Das Schreckliche war noch
nicht eingetreten. Ich konnte mir eine schönere Wendung ausdenken. Zum
Beispiel, dass der Junge durch eine Entdeckung, die er gemacht hatte, plötzlich
gereift war und das Mädchen heil nach Hause kam. AS
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