Montag, 30. Januar 2012

Alles Bilder


Und ich bin Toni Saibel, Milis Helfer – wie sie in ihrem Willkommensgruß bemerkt hat. Sie hat mich ja auch als ihren Geliebten vorgestellt. Ich zweifle nicht, dass Mili Lula mich liebt. Aber noch mehr, scheint mir, liebt sie ihre Bilder. Die Welt zeigt sich ihr in fantastischen Geschichten. Jedes Mal nachdem wir uns umarmt und geliebt haben – manchmal noch während wir vereint sind – beginnt sie zu erzählen.
Sie hat wohl auch mal schreiben gelernt. Aber bestimmt hat sie’s wieder vergessen. Dieses vernünftige Zeug liegt ihr nicht. Dazu hat sie ja mich, ihren Helfer, der alles schön aufschreibt. An schlechten Tagen beschleicht mich das ungute Gefühl, dass ich nur ein Mittel zum Zweck bin. Und wenn sie mich dann auch noch Anton statt Toni nennt, bin ich ganz unten. Mit ihrem Fischkleid – oder was sie sonst Extravagantes trägt – bringt sie mich gehörig in Schwung. Ich lausche ihr, sauge jedes Wort von ihr ein und betrachte jedes Bild, mag es noch so ungewöhnlich erscheinen. 
Den ganzen Tag tu ich nichts anderes, als mich mit ihren Bildern beschäftigen. Frühmorgens steige ich hoch, auf ein Hochhaus oder auf eine Hügelkuppe. Von da blicke ich in die Ferne. So kann ich mich am besten an ihre Bilder erinnern. Dann setze ich mich zu den Tauben auf der Dachfläche oder zu den Kühen auf der Bergwiese. Während letztere wiederkäuen, lass ich die Bilder aufsteigen. Manche Teile muss ich nochmal kauen, andere lasse ich genüsslich auf der Zunge zergehen. Dabei kann es schon mal vorkommen, dass mir eine Träne der Freude oder des Kummers aus den Augen rinnt.
Dann steige ich hinab und gehe in die Druckerei. Mit spitzen Fingern fange ich an die Buchstaben aneinander zu reihen. Wenn der Satz gelegt ist, gehe ich ins Café. Das Handy bleibt eingeschaltet. Es könnte ja sein, dass ihr noch etwas einfällt oder dass ihr ein Teil besonders wichtig ist. (So kann ich vermeiden, dass sie mich rügt, bevor ich ihr beiwohnen darf.) Ich kehre zurück zum Satz, der inzwischen Gestalt angenommen hat. Aber was für eine? Möglicherweise steht die Gestalt auf dem Kopf oder hat drei Beine. Der Schwanz vorne die Schnauze hinten. Statt symmetrisch verteilt, sind die Ohren links und die Hörner rechts. Aber ich lasse mich nicht entmutigen. Schließlich weiß ich, wie etwas Lebendiges auszusehen hat. Am Schluss fehlen nur noch die Wimpern und das Knie zeigt an einem Bein in die falsche Richtung. Aber was soll’s. So lange wie die Evolution habe ich nicht Zeit. Morgen kommt die nächste Geschichte.
Ich drücke auf ‚uploaden‘. Und, le voila‘, da erscheint die Geschichte im Blog. AS (Anton Toni Saibel)
 

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