Als Kind war ich häufig mit meinen Eltern und Geschwistern in
einem Grand Hotel im Bündner. Wir waren nicht im Hotel selber – das hätten sich
meine einfachen Eltern nicht leisten können – sondern in dem großen, dazu
gehörigen Bad, das öffentlich zugänglich war. Allerdings nicht ohne Gebühr.
Meine Mutter hat mir später erzählt. Wir Kindern hätten uns da wie Fische im
Wasser gefühlt. Deshalb habe mein Vater noch etwas härter gearbeitet, damit wir
uns diesen Luxus leisten konnten.
An einer gewundenen Straße, durch ein Viertel in besonders
schöner Hanglage, hatte ich in meinem Beruf als Reparateur von sanitären Anlagen
in zwei Häusern zu tun. Die Reparaturarbeiten waren schneller abgeschlossen als
gedacht. Ich fuhr die Straße weiter in Erwartung einer Wendeplatte, als ich
plötzlich auf das Grand Hotel stieß, in dessen Bad wir uns als Kinder vergnügt
hatten. Merkwürdig, es stand noch immer in alter Größe da, hatte aber seinen
Glanz verloren. Es dauerte eine Weile bis ich bemerkte, woran es lag. Das Hotel
war nicht mehr in Betrieb.
Ja, und was ist aus dem Bad geworden?, war meine bange Frage. Der
Traum meiner Kindheit, der Ort, wo wir die schönsten Stunden verbracht hatten.
Nur noch leere Becken und zerfallene Räume?
Der Zugang zum Bad war tiefer gelegen. Wir waren – so viel
erinnerte ich mich – außen herum die Treppen hinab gestiegen. Drinnen hatte uns
ein Badewärter von seiner Theke aus kritisch geprüft. Er hatte uns wohl für
eine der Familien gehalten, die keine Badewanne hatten und deshalb das öffentliche
Bad benutzten.
„Bitte gründlich duschen!“, sagte er jedesmal.
Ich erinnere mich, wie meine Mutter – die wohl arm, aber von
feiner Art war – ihre Nase rümpfte und ihn mit verächtlichem Blick taxierte.
Dann ging für uns der Zauber los. Eintauchen in die Wunderwelt des Wassers.
Und das alles sollte zerstört sein? Der Gedanke, dass es ja
inzwischen viele neue Bäder gab, ja dass sie wie Pilze aus dem Boden schossen
und sich gegenseitig an Superlativen übertrafen, war mir in dem Moment ein
schlechter Trost. Ich wollte genau wieder dieses Bad, in dem ich als Kind alles
um mich vergessen hatte. Eine Wehmut über die Vergänglichkeit beschlich mich.
Es gibt nichts Bleibendes und wenn etwas besonders schön ist, dann ist es noch
viel kurzlebiger als alles andere. Besser wäre ich heut schon tot als erst
morgen, stieß ich seufzend hervor. AS
…
…
Fortsetzung siehe: 'Das Bad im Grand Hotel j'
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